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Europawahl: Der deutsche Einfluss in der Welt lässt nach

Die Wahlen zum Europäischen Parlament sind in Deutschland lange Zeit nicht recht ernst genommen worden – weder von den Wählern noch von der Politik. „Hast du einen Opa, schick ihn nach Europa“, lautete ein Spruch, der die Neigung von Parteien aufs Korn nahm, altgediente Politiker ins Europaparlament abzuschieben. Zu dieser despektierlichen Wahrnehmung traten Neigungen nationaler Politiker, Europa für Probleme allerlei Art verantwortlich zu machen, sowie die nicht falsche Überzeugung, Brüssel übertreibe es mit der Bürokratie und gebe Geld nicht immer auf effiziente Weise aus. Was also will man mit diesem Europa, fragen sich nicht nur in Deutschland viele Menschen.

Die Zunahme geopolitischer Spannungen in der Welt und die mit ihnen verbundenen Gefährdungen des freien Welthandels verdeutlichen in unserer Zeit erbarmungslos die Grenzen einer politischen Mittelmacht wie Deutschland. Das deutsche Wirtschaftsmodell hat erheblich von einer nunmehr auf vielerlei Weise bedrohten Globalisierung profitiert, deren politischen Rahmen ein Land wie Deutschland im Alleingang weder zu stabilisieren noch zu garantieren vermag.

Die Europäische Union kann dagegen im Wettstreit der Großen eher mithalten. Die Wirtschaftsleistung der Vereinigten Staaten betrug im vergangenen Jahr 27 Billionen Dollar im Vergleich zu jeweils rund 18 Billionen Dollar für die Europäische Union und die Volksrepublik China. Deutschland kam auf knapp 5 Billionen Dollar. Daher liegt die Verantwortung der Europäischen Union für die Handelspolitik auch im nationalstaatlichen Interesse Deutschlands.

Abkehr vom Freihandel in großen Wirtschaftsräumen

Die Europäische Union hatte sich lange Zeit stärker dem Freihandel geöffnet als die Vereinigten Staaten und China, auch wenn in den vergangenen Jahren eine unselige Neigung zur moralischen Aufladung der europäischen Handelspolitik erkennbar war. Die Wertschätzung des Freihandels in der Welt lässt indessen rapide nach, wie die Zahl von rund 3000 Handelsbeschränkungen verdeutlicht, die allein im vergangenen Jahr der Internationale Währungsfonds registriert hat.

Diese Entwicklung stärkt die traditionellen Neigungen mancher europäischer Staaten zu mehr Protektionismus und gefährdet damit auch die Akzeptanz eines liberalen Außenhandelsparadigmas in der Europäischen Union, an dessen Bewahrung Deutschland nach wie vor interessiert sein muss.

Bisher äußern sich geopolitisch motivierte Handelsbeschränkungen häufig in der Praxis, für eng definierte Gütergruppen hohe Zölle anzukündigen oder zumindest anzudrohen. Damit wird eine Politik der Nadelstiche signalisiert, aber kein Wille, dem Freihandel nachhaltigen Schaden zuzufügen. Ob sich diese Prozesse unter Kontrolle halten lassen, erscheint aber unklar.

Liegt das Aushandeln internationaler Abkommen in der Hand der Europäischen Kommission, so muss das Europäische Parlament den Abkommen zustimmen. Deutschland kann die handelspolitische Meinungsbildung im Europäischen Parlament nicht gleichgültig sein. Eine weitere Stärkung protektionistischer Kräfte liefe dem deutschen Interesse entgegen. Aber auch die Weiterentwicklung des Europäischen Binnenmarktes, und hier allen voran die Schaffung einer längst überfälligen Kapitalmarktunion, diente der Steigerung des deutschen Wachstumspotentials.

Geteilte Verantwortung für Verteidigungspolitik

Weitgehende Einigkeit besteht in der Europäischen Union über eine Stärkung der Verteidigungsfähigkeit in zunehmend unruhiger und unsicherer Zeit. Die Verantwortung ist zwischen Nationalstaaten und Union geteilt. Die Nationalstaaten besitzen die Souveränität über ihre Streitkräfte und die Militärhaushalte; sie haben auch das souveräne Recht, Militärbündnissen beizutreten.

Seit dem Vertrag von Lissabon gehört eine Gemeinsame Verteidigungs- und Sicherheitspolitik zu den Zielen der Union. Aus wirtschaftlicher Sicht steht die Zukunft einer leistungsfähigen und effizienten Militärindustrie in der Europäischen Union im Blickpunkt. Im Frühjahr hat die Europäische Kommission eine Verordnung für die Stärkung der Industrie vorgeschlagen, über den sich die Mitgliedsländer einigen müssen. Dies dürfte einige Zeit in Anspruch nehmen.

In der Vergangenheit litten wichtige Programme in der Union unter nationalem Streit, die zu Verzögerungen und Verteuerungen führten. Aus deutscher Sicht wäre es wichtig, die im Vergleich zu den Vereinigten Staaten deutlich knapperen Mittel in Europa effizient einzusetzen. Eine Alternative existiert nicht: Für eine Rückkehr zu rein national ausgerichteten Militärindustrien fehlte es überall an den Ressourcen.

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