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Hochwasser in Passau: „Es ist eine Katastrophe“

In der Passauer Fußgängerzone deutet am Dienstagmorgen nur wenig auf die riesigen Wassermassen hin, die gerade die Dreiflüssestadt umfließen. ­Restaurants und Läden sind geöffnet, eine französische Seniorenreisegruppe ­bestaunt die barocken Hausfassaden. Nur wenn man abbiegen will in die kleinen Gassen, die hinunter zum Donau-Ufer führen, warnen Schilder: Hochwasser.

In einer dieser Gassen steht Stephan Terletzki und blickt auf das matschbraune Flusswasser, das alles bedeckt. Die Promenade ist längst verschwunden, es ragen nur noch Baumkronen und Verkehrsschilder hervor. Terletzki betreibt kaum 100 Meter weiter das Café „Unterhaus“. „Oder eher: Unterwasserhaus“, sagt er und seufzt. Das Wochenende hat er damit verbracht, ­seinen Laden auszuräumen, um so viel Mobiliar wie möglich in Sicherheit zu ­bringen. Die Elektrogeräte hat er auf erhöhte Flächen gestellt. Gebracht hat es trotzdem nichts.

„Bei dieser Lage versichert Sie niemand“

Mit einem Donaupegel von neun, höchstens 9,50 Meter hatte die Stadt am ­Wochenende gerechnet. In seinem Café steht das Wasser in so einem Fall ungefähr bei Hüfthöhe, schätzt Terletzki. Doch am Dienstagvormittag steht die Donau bei fast zehn Metern, Tendenz noch immer steigend. Das Wasser reicht also fast bis zur Decke, die Elektrogeräte dürften hin sein. Das Gleiche gilt für den Künstler­bedarf im Studio von Armen Feuchterböck im selben Haus. „Steht alles unter Wasser“, sagt er und schüttelt den Kopf. „Es ist eine Kata­strophe.“

Das Gebäude habe zwar einen Hochwasserschutz, sagt Stephan Terletzki, der habe aber nicht ausgereicht. Das sei ­Vermietersache, er selbst könne da nichts machen. Eine Versicherung habe er nicht, „bei dieser Lage versichert Sie niemand“.

Terletzki weiß, was jetzt auf ihn zukommen wird. Er betreibt seinen Laden seit 2001, zunächst als Buchhandlung mit ­Atelier, jetzt als Café. Beim Jahrhunderthochwasser 2013 stand die Donau noch höher, bei 12,89 Metern. Damals habe auch das darüberliegende Stockwerk ­saniert werden müssen, erst nach eineinhalb Jahren habe er wieder eröffnen können. Diesmal werde es zwar nicht ganz so lange dauern, schätzt er – aber er überlegt, den Betrieb einfach aufzugeben.

Andere Betriebe und Anwohner in der Altstadt hoffen am Dienstag noch, dass sie vom Schlimmsten verschont bleiben. Je weiter man Richtung Stadtspitze geht, an umso mehr Straßenecken liegen Paletten mit Sandsäcken bereit. Vier Studentinnen beobachten am Vormittag den reißenden Inn, der am Süden der Stadt vorbeifließt und inzwischen bei einem Pegelstand von mehr als sieben ­Metern angekommen ist. Sein Scheitel ist für den Mittag vorher­gesagt. Bei der Donau soll es am Nachmittag soweit sein.

Am Morgen haben die vier geholfen, das Erdgeschoss des Hotels auszuräumen, in denen eine von ihnen jobbt. Dort steht das Wasser schon an den Stufen zum Eingang, die Tiefgarage ist längst vollgelaufen. Es sei klar, dass sie da mitanpacken, sagen die jungen Frauen. Sie leben erst seit vergangenem September in der Stadt, es ist das erste Hochwasser, das sie erleben. Ihre Vorlesung haben sie für die Hilfs­aktion sausen lassen. Ihre Wohnungen seien zum Glück nicht betroffen – auch wenn sie ein Umzug wohl weniger hart treffen würde als langjährige Passauer.

Mapcreator/OSM

Viele Einwohner haben sich aber auch entschieden, in ihren Häusern zu bleiben, obwohl das Hochwasser sie inzwischen eingeschlossen hat. Seit fünf Uhr morgens ist deshalb die Bayerische Wasserwacht im Einsatz, um sie zu versorgen und abzu­holen, wenn sie zur Arbeit oder zum Arzt müssen. Bislang halte sich das Einsatz­aufkommen in Grenzen, sagt der Einsatzleiter Andreas Dietz. Im Vergleich zu 2013 sei die Situation noch gut überschaubar, die Einsatzkräfte seien durch die langjährige Erfahrung außerdem gut eingespielt. „Die Acht-Meter-Marke wird aber noch ­einige Tage bleiben“, schätzt er. Auch das Technische Hilfswerk und die Feuerwehr sind im Einsatz, etwa um Keller auszupumpen. An vielen Ecken ist Wertschätzung für die Helfer zu spüren: Vor zahl­reichen Cafés und Bäckern stehen Tafeln, auf denen ihnen kostenloser Kaffee angeboten wird.

Andernorts gehen Wasserstände zurück

Während in Passau am Dienstag Plätze gesperrt blieben, der Schulbetrieb in der Altstadt ausfiel und die Stadt den Katastrophenfall ausrief, entspannte sich andernorts die Lage. In weiten Teilen Schwabens gingen die Pegel zurück, im Landkreis Günzburg konnte mit den Aufräumarbeiten begonnen werden. In Offingen konnten Bürger wieder in ihre Häuser zurückkehren, nachdem eine Evakuierungsanordnung aufgehoben wurde. Der Hochwassernachrichtendienst gab auch Entwarnung für weite Teile Oberfrankens. Im Landkreis Rosenheim wurde die Meldestufe 1 „flächendeckend unterschritten“. Allerdings waren Teile der Burg Falkenstein im oberbayerischen Flintsbach wegen des Dauerregens abgerutscht. Unterhalb der Burg seien 50 Anwohner in Sicherheit gebracht worden, teilte der Landkreis Rosenheim mit. Unwetterartige Niederschläge waren laut Hochwassernachrichtendienst am Dienstag nicht mehr vorhergesagt.

Allerdings stieg die Zahl der Todesopfer durch das Hochwasser auf drei. Eine Frau sei am Montag in Markt Rettenbach im Landkreis Unterallgäu mit ihrem Auto von einer Straße ins Wasser gerutscht und später leblos geborgen worden, teilten die Beamten mit. Zuvor war am Wochenende im oberbayerischen Schrobenhausen eine Frau im Keller ihres überfluteten Hauses ums Leben gekommen, in Pfaffenhofen starb ein Feuerwehrmann bei einer Rettungsaktion. Laut Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) wurden am Vormittag zudem noch sieben Menschen vermisst.

In Passau zeichnet sich am Dienstagnachmittag langsam ab, worauf hier alle hoffen: Die Pegel von Inn und Passau scheinen laut den Daten des Hochwassernachrichtendiensts nicht weiter zu steigen. Bis die Überschwemmungen vollends ­zurückgehen, wird es allerdings noch einige Tage dauern.

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