CDU und CSU zur Europawahl: „Demokratie praktizieren, heißt, den Wahlgewinner respektieren.“
Wenn stimmt, was CSU-Chef Markus Söder am Freitagabend bei der Abschlusskundgebung von CDU und CSU im Münchner Löwenbräukeller sagt, dass nämlich die Aufbruchstimmung bei der SPD der von Darmstadt 98 gleiche, des Bundesliga-Letzten also, dann muss man sagen: Die Stimmung bei der Union ist kurz vor der Europawahl besser, vielleicht so wie bei der Nationalmannschaft kurz vor der EM.
Dazu trägt auch der bayerische Ministerpräsident selbst bei. In seiner Rede, die er, bescheiden, wie man ihn kennt, als „Warm-up“ für die Spitzenkandidaten Ursula von der Leyen und Manfred Weber einstuft, zeigt er sich als glühender Europäer, der – für einen Bayern nicht selbstverständlich – vor einem „Rückfall in die Kleinstaaterei“ warnt. Es ist bekannt, dass Söder und seine Partei keine Leyen-Ultras sind. „Nobody is perfect“, hat Söder über sie zu Jahresbeginn gesagt, aber „natürlich unterstützen wir sie“.
Dieses Modell ist Söder selbst nicht ganz fremd
Im Löwenbräukeller legt er nach. Gegenüber Sozialdemokraten und Grünen, die zuletzt immer wieder Zweifel säten, ob sie von der Leyen am Ende wirklich unterstützen – im Europäischen Rat, im Parlament – , macht der bayerische Ministerpräsidentin deutlich, dass es eine „patriotische Pflicht“ sei, eine Deutsche an die Spitze der Kommission zu wählen – so wie er, als Fan des 1. FC Nürnberg, im Champions-League-Finale auch für Borussia Dortmund gewesen sei.
Die Ampel attackiert Söder auch auf innenpolitischem Terrain. In der Sache stellt er sich hinter die Forderung von Bundeskanzler Olaf Scholz, Straftäter wie den Afghanen, der in Mannheim zuletzt einen Polizisten getötet hat, abzuschieben. Jedoch: Bislang sei nach derlei Worten „nie etwas passiert“, so Söder. Schon Gerhard Schröder habe „das Modell gehabt, etwas anzukündigen – passiert ist nie was“, wobei manche auch behaupten, dass dieses Modell Söder selbst nicht ganz fremd sei. Bemerkenswert an seiner Rede ist überdies, dass er, bei allem Lob für die rein bayerische CSU-Liste zur Europawahl, zugesteht, dass es auch im Sauerland „hervorragende Leute“ gebe.
CDU-Chef Friedrich Merz kommt aus dem Sauerland – und als nächster auf die Bühne. Er fängt an mit einem Downer: Die Union habe 2021 die Bundestagswahl verloren, „weil wir nicht mehr gut genug waren“. Meint er da etwa auch Söder? Aber der CDU-Chef zieht den Stimmungsregler dann schnell nach oben.
Als er mit Blick auf die Ampel ruft, „das, was da in Berlin stattfindet, ist ein Desaster für Deutschland, aber es ist auch ein Desaster für Europa“, hat er den Saal, nicht minder, als er Wirtschaftsminister Robert Habeck vorwirft, der sei „im Kopf Lichtjahre davon entfernt, verstanden zu haben, was er da für eine Aufgabe übernommen hat.“ In der Abgrenzung zur AfD ist er so klar wie alle Redner an dem Abend: „Mit diesen Leuten haben wir nichts, aber auch gar nichts zu tun.“ Am Ende seiner Rede gibt es, anders als vorher, Standing Ovations, was bei der CSU-Führung gemischte Gefühle hervorrufen, aber auch einfach ein Zeichen bayerischer Gastfreundschaft sein könnte.
Klar ist: Ursula von der Leyen hat es nun noch schwerer, als sie es hier sowieso schon hätte. Sie schlägt sich wacker, indem sie die europäischen Werke von CSU-Granden wie Edmund Stoiber oder Theo Waigel würdigt und das Thema, das CSU-intern für Streit gesorgt hat, der Umgang mit der nationalkonservativen italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, umschifft.
Lauer Beifall bei Klimaschutz und Ukrainekrieg
Von der Leyen hat nicht nur im Wahlkampf versucht, auf die Konservativen und Rechtskonservativen zuzugehen, sie tut es auch im Löwenbräukeller. Etwa, indem sie sich der Forderung, Schwerstkriminelle abzuschieben, anschließt. Oder indem sie beim Klimaschutz, für den sie fünf Jahre lang mit ihrem Green Deal stand, den Ball einigermaßen flachhält und konservative Codewörter wie „Technikoffenheit“ einstreut.
Beim Klimaschutz ist der Beifall ähnlich lau wie beim Ukrainekrieg. Alle im Löwenbräukeller sind sich einig, dass Putin gestoppt werden muss, in die Details geht aber keiner. Auch Weber nicht, der lieber seine erfolgreiche Bilanz als EVP-Chef darlegt oder seine Wertschätzung für die Bauern kundtut. Beim Thema Landwirtschaft war er in den vergangenen Jahren eher Widersacher als Partner von der Leyens. Im Löwenbräukeller sagt er: „Ja zum Klimaschutz, so wie Ursula von der Leyen das mutig angeschnitten hat, aber Nein zum linken Klimaschutz.“
Von der Leyen war in den vergangenen fünf Jahren dort, wo er, der EVP-Spitzenkandidat von 2019, eigentlich hätte sein sollen und vor allem wollen: an der Spitze der Kommission. Doch insbesondere der französische Präsident Emmanuel Macron fühlte sich seinerzeit nicht an das Spitzenkandidatenprinzip gebunden.
Es gibt neuerlich Signale, dass er wieder sein eigenes Spiel spielen könnte, womöglich mit Unterstützung der deutschen Ampel-Parteien. Die Spekulation um den Italiener Mario Draghi als künftigem Kommissionspräsidenten soll aus dem Élysée-Palast stammen.
Weber hält dem im Löwenbräukeller entgegen: „Wenn 390 Millionen Menschen aufgerufen sind, ein neues Parlament zu wählen, wenn wir als Christdemokraten und Christsoziale auf diesem Kontinent ein klares Mandat bekommen, dann werden wir einfordern, dass Sozialdemokraten und Liberale unsere Spitzenkandidatin auch zur nächsten Kommissionspräsidentin machen.“ Der Fehler von 2019 dürfe nicht wiederholt werden. „Demokratie praktizieren, heißt, den Wahlgewinner respektieren.“