Deutschland bei EM 2024 ausgeschieden: Der minimale Unterschied
Am 22. Tag der Europameisterschaft sollte sich im Stadion in Stuttgart endlich die Antwort auf die Frage finden, die sich seit dem ersten Tag stellt: Wie gut ist diese deutsche Fußballnationalmannschaft wirklich?
So real die Widerstände waren, die sie vor allem gegen die Schweizer und gegen die Dänen überwinden musste, so relativiert wirkten diese am Freitagabend angesichts der Männer in den roten Trikots, die von der ersten Spielsekunde an so selbstverständlich wussten, mit welchem Tempo und mit welchem Timing sie in welchen Raum vorstoßen müssen. Das war der Kontext der EM – und der Kontext dieses Spiels: dass die Spanier, die diesen Sport in diesem Jahrhundert mehr geprägt haben als jede andere Mannschaft, gerade wieder an der Spitze des fußballerischen Fortschritts stehen.
Und wenn man den Kontext kennt, dann fand sich für die Frage bis in die 89. Spielminute folgende Antwort: Die Deutschen sind eine gute, wahrscheinlich sogar eine sehr gute Mannschaft. Doch die Spanier eben eine sehr, sehr gute. Von sehr gut zu sehr, sehr gut – das ist der schwerste Schritt des Spitzensports und meistens der, der den Unterschied macht. Meistens.
Dann kam die 89. Minute. Dann kam Mittelstädts Flanke, Kimmichs Kopfball und Wirtz’ Schuss. Dann kam das 1:1. Ein Tor des Könnens – aber auch des Wollens. In dem Moment wussten die Fans im Stadion, dass die Deutschen an diesem Abend selbst den spanischen Widerstand überwinden können.
Dafür brauchte es neben dem Können und Wollen aber mehrere Korrekturen des Bundestrainers. Seiner eigenen Entscheidungen.
Solche Spiele, so hatte es Toni Kroos vor dem Viertelfinale erörtert, werden „in der Mitte entschieden“. Und für die Mitte hatte sich Julian Nagelsmann am Freitag für eine neue Strategie entschieden: Er stellte dort nicht Robert Andrich auf, sondern Emre Can – wegen dessen Geschwindigkeit, wie er erklärte.
Unterschied zwischen sehr gut und sehr, sehr gut
Doch Minute für Minute sah man deutlicher, dass er (aber nicht nur er) der Gedankenschnelligkeit der Spanier nicht gewachsen war. Der Gegner dominierte die Mitte. In der Halbzeitpause korrigierte der Bundestrainer das. Er wechselte Andrich für Can (und Wirtz für Sané ein). Und auch wenn seine Mannschaft kurz danach, in der 51. Minute, das 0:1 durch Dani Olmo kassierte, konnte man sagen: Nagelsmann korrigierte nicht zu spät.
Mit Blick auf die Entscheidung für Can sollte man dennoch folgende Fragen diskutieren: Warum änderte der Bundestrainer in diesem Spiel die Besetzung der Mittelfeldmitte, die er seit März so mühsam aufgebaut hat? Hat er mit dem Experiment eine Halbzeit verschwendet?
Er wechselte später in der zweiten Halbzeit Füllkrug, Mittelstädt und Müller ein. Die Deutschen machten Druck. Das 1:1 war verdient. Und als wohl alle dachten, dass dieses Spiel im Elfmeterschießen entschieden wird, schossen die Spanier das 2:1. Weil der Unterschied zwischen sehr gut und sehr, sehr gut dann doch in diesem Spiel den Unterschied machte.
Es wird in den nächsten Tagen ausführlich zu analysieren und diskutieren sein, was aus deutscher Sicht von diesen ersten und, das darf man schon so sagen, mitreißenden EM-Wochen in Deutschland bleiben wird – und was mit Blick auf die WM 2026 ohne Toni Kroos, einen, wahrscheinlich sogar den Ermöglicher, kommen kann. Man hat auch an diesem Abend gesehen und gehört (die Menschen in Stuttgart unterstützten die Mannschaft grandios), dass sich etwas entwickelt hat. Doch hat man in diesem Spiel gegen diese Spanier auch gemerkt, dass der deutschen Nationalmannschaft doch noch etwas fehlt.