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Letzte Rede vor Wahl: Von der Leyen rückt vom Verbrennerverbot ab

Die Rede von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vor dem Europäischen Parlament war eine Gratwanderung. Um die nötige Mehrheit von mindestens 361 Stimmen für eine zweite Amtszeit zu sichern, durfte sie möglichst niemand von den Grünen bis zu den Konservativen verprellen. Dennoch lässt sich zumindest die Richtung erkennen, in die eine zweite Amtszeit gehen soll. Die Bauern und die Anhänger des Verbrenners dürfen hoffen. Streit droht mal wieder ums Geld und um neue Fonds.

Ein Fonds für Wettbewerbsfähigkeit

Dass von der Leyen die Wettbewerbsfähigkeit der EU in den Mittelpunkt ihrer Rede stellen würde, war erwartet worden. Dazu hat das Thema die Debatte der vergangenen Wochen zu sehr bestimmt. Damit die EU im Wettbewerb mit China und den USA mithalten kann, will von der Leyen einen Europäischen Fonds für Wettbewerbsfähigkeit im EU-Haushalt schaffen. Der soll Schlüsseltechnologien wie grüne Technologien, Biotechnologie oder Künstliche Intelligenz fördern. Mit wie viel Geld der Fonds dafür ausgestattet werden soll, bleibt offen. Am Ende könnte es auch auf eine Art Wiederauflage des von ihrem Vorgänger Jean-Claude Juncker geschaffenen Investitionsfonds hinauslaufen, der mit relativ wenig EU-Geld private und öffentliche Investitionen anlockt.

Einen großen Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit soll der Bürokratieabbau leisten. Alle Kommissare sollen Vorschläge vorlegen, wie die Unternehmen entlastet werden können. Sie sollen dafür alle EU-Gesetze überprüfen. Die Federführung dafür soll bei einem eigenen Vizepräsidenten liegen. Er soll jährlich über den Fortschritt berichten. „Lassen Sie uns das lästige Mikromanagement abschaffen“ und kleinen und mittleren Unternehmen mehr Vertrauen und bessere Anreize zugestehen, sagte von der Leyen.

Festhalten am Green Deal und ein wenig am Verbrenner

Von der Leyen hält am Green Deal fest. Sie will das Ziel, den CO₂-Ausstoß bis 2040 um 90 Prozent verglichen mit 1990 zu senken, im europäischen Klimagesetz festschreiben. Der Schwerpunkt soll aber auch hier darauf liegen, die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie zu erhalten. Von der Leyen hat dafür angekündigt, in den ersten 100 Tagen ihres neuen Mandats einen „Clean Industrial Deal“ vorzulegen. Was genau darunter zu verstehen ist, bleibt offen. Im Kern soll es darum gehen, der Industrie Zugang zu einer „billigen, nachhaltigen und sicheren Energieversorgung und Rohstoffen“ zu verschaffen. Die Energiepreise will von der Leyen mit weiteren Investitionen in erneuerbare Energieträger und einem abermaligen Anlauf zur Vollendung des Energiebinnenmarkts senken. Ein Gesetz zur Beschleunigung der Dekarbonisierung in der Industrie soll Investitionen in energieintensive Sektoren fördern, wie, ist offen. Sie profitieren bereits von der beschlossenen Beschleunigung des Netto-Null-Industriegesetzes („Net Zero Industry Act“).

Für die Kritiker des umfassenden und oft kleinteiligen Green-Deal-Gesetzespakets bei den Liberalen und Christdemokraten stellt von der Leyen ein Abrücken vom strikten Verbrennerverbot 2035 im Rahmen der für 2026 anstehenden Überprüfung der Autoflottengrenzwerte in Aussicht. Trotz des Bekenntnisses zur Technologieneutralität hält sie aber an dem Ziel fest, dass alle Neuwagen von 2035 an klimaneutral sein müssen. Ob das über die Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) längst gemachten Zusagen hinausgeht, bleibt unklar.

Keine Zumutungen für die Landwirte

Das Thema Landwirtschaft war das einzige, dass von der Leyen in ihrer ansonsten auf Englisch und Französisch gehaltenen Rede vor dem Parlament auf Deutsch ansprach. Inhaltlich enthalten Rede und Leitlinien zu dem Thema wenig Neues: Die Position der Landwirte gegenüber den Lebensmittelketten soll gestärkt werden, damit sie höhere Preise für ihre Produkte erzielen können. Interessanter ist, was sie nicht sagt: Es ist keine Rede von neuen Auflagen mehr. Die Bauern sollen mit Anreizen dazu bewegt werden, ihren Beitrag zu Biodiversität und Klimaschutz zu leisten.

Das Wort Handel kam in der Rede von der Leyens nicht ein einziges Mal vor. In den Leitlinien hebt sie vor allem hervor, dass die EU sich vor unfairem Handel – allen voran aus China – schützen muss. Die EU soll die Kooperation mit Afrika, Lateinamerika und dem Indopazifik im Rahmen der Global-Gateway-Initiative vertiefen, nicht zuletzt, um die Rohstoffversorgung zu verbessern.

EU-Mittel nur noch gegen nationale Reformen

2025 muss die Europäische Kommission einen Vorschlag für den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen, wahrscheinlich für die Jahre 2028 bis 2034, vorlegen. Von der Leyen will den Haushalt stärker an den Prioritäten der EU ausrichten und mehr Flexibilität bei der Verwendung der Mittel. Wie das praktisch funktionieren soll, lässt sie offen. Angesichts der bisher für die Agrarsubventionen und Strukturhilfen reservierten und für viele Staaten als unantastbar geltenden Mittel, die beinahe zwei Drittel des EU-Budgets ausmachen, bleibt ihr wenig Spielraum. Die Forderung nach neuen EU-Schulden vermied von der Leyen, wies aber auf das nahende Ende des Corona-Aufbaufonds und den großen Investitionsbedarf der EU für die „grüne, digitale und soziale Wende“ hin. Einen Beitrag zur Finanzierung soll die Vollendung der Kapitalmarktunion leisten.

Auf Widerstand dürfte die Idee stoßen, die Vergabe der Haushaltsmittel mit Reformen zu verknüpfen, die die EU-Staaten umsetzen müssen. Die Idee kommt aus dem Corona-Aufbaufonds. Sie würde der Kommission starken Einfluss auf die nationale Politik verschaffen.

Die linke Seite des Europaparlaments hatte von der designierten EU-Kommissionspräsidentin klare Aussagen zu sozialen Themen wie der Sicherung bezahlbaren Wohnraums gefordert. Von der Leyen kündigte entsprechend einen Plan für bezahlbaren Wohnraum an und einen Kommissar, der unter anderem auch dafür zuständig sein soll. Viel Erfolg dürfte dem nicht beschieden sein. Schließlich ist die Wohnungspolitik Kompetenz der Mitgliedstaaten.

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