Merz zu Solingen: „Nicht die Messer sind das Problem“
Nach dem Attentat in Solingen diskutieren Politiker verschiedener Parteien darüber, welche Konsequenzen daraus zu ziehen seien. In einer Rundmail mit dem Betreff „Es reicht!“ attestiert der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz der Ampelkoalition, seit einigen Wochen über eine Verschärfung des Waffengesetzes und ein Messerverbot zu streiten.
Dabei, so Merz, seien nicht die Messer das Problem, „sondern die Personen, die damit herumlaufen“. In der Mehrzahl der Fälle seien dies Flüchtlinge, in der Mehrzahl der Taten stünden islamistische Motive dahinter.
Merz: Erleichterte Einbürgerungen beenden
Tatortbesuche, Bekundungen des Mitgefühls und Strafandrohungen reichten „jetzt endgültig nicht mehr aus“, schreibt Merz. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) fordert er auf, „mit uns zusammen schnell und ohne weitere Verzögerungen Entscheidungen zu treffen, die konsequent darauf ausgerichtet sind, weitere Terroranschläge wie den vom letzten Freitag in unserem Land zu verhindern“. Nach Syrien und Afghanistan „kann abgeschoben werden“, so Merz, der damit mehr Wunsch als Realität zum Ausdruck bringt. Er fügt hinzu: „Weitere Flüchtlinge aus diesen Ländern nehmen wir nicht auf.“
Der CDU-Vorsitzende fordert „dauerhafte“ Grenzkontrollen und „konsequente“ Zurückweisungen. Jeder Flüchtling, der aus Deutschland in sein Heimatland reise, solle „umgehend jeden Aufenthaltsstatus“ verlieren. Ausreisepflichtige Straftäter sollten „in zeitlich unbegrenzten Abschiebegewahrsam“ genommen werden, schreibt Merz, der sich bei dieser Gelegenheit auch noch einmal die Reform des Einbürgerungsrechts vornimmt. „Wir beenden umgehend die von Ihrer Koalition beschlossenen erleichterten Einbürgerungen und vermeiden grundsätzlich doppelte Staatsangehörigkeiten“, kündigt er an. Ende Juni ist eine Reform des Einbürgerungsrechts in Kraft getreten, die unter anderem vorsieht, dass Menschen nach fünf Jahren eingebürgert werden können, sofern sie die Bedingungen hierfür erfüllen. Zuvor waren Einbürgerungen erst nach acht Jahren möglich gewesen.
Habeck fordert rechtliche Verschärfungen
Auch Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) äußerte sich am Sonntag zu dem Attentat. Der islamistische Terror sei „eine der größten Gefahren für die Sicherheit in Deutschland“, so Habeck. Wer solche Taten begehe, „muss hart bestraft werden. Ganz hart.“ Für Mörder und Terroristen und Islamisten könne es keine Toleranz geben. „Und wenn es jemand ist, der hier als Geflüchteter oder Asylbewerber den Schutz des Landes in Anspruch nimmt, hat er den Schutzanspruch verloren.“
Habeck sprach sich auch für ein strengeres Waffenrecht aus und griff damit die Debatte auf, die Merz für überflüssig hält. Einige rechtliche Verschärfungen seien „schlicht richtig und notwendig“, sagte der Grünenpolitiker. Er zählt dazu „mehr Waffenverbotszonen und strengere Waffengesetze“. Hieb- und Stichwaffen brauche niemand in Deutschland in der Öffentlichkeit, äußerte Habeck. „Wir leben nicht mehr im Mittelalter.“
Zuvor hatte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) Gespräche innerhalb der Ampelkoalition angekündigt. „Wir werden nun in der Bundesregierung darüber beraten, wie wir den Kampf gegen diese Art der Messerkriminalität weiter voranbringen“, sagte Buschmann der „Bild am Sonntag“. Bislang hatte die FDP entsprechende Vorschläge von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) als „symbolhaft“ abgelehnt.
Faeser will Messer mit langer Klinge in Öffentlichkeit verbieten
Sie plädiert immer wieder dafür, das Waffenrecht zu verschärfen, auch mit Blick auf Messer. Schon im April 2023 sprach sich Faeser dafür aus, über „Messerverbote in öffentlichen Verkehrsmitteln“ nachzudenken. Sie reagierte damals auf ein Attentat in Brokstedt, bei dem ein staatenloser Mann zwei Menschen erstochen und weitere verletzt hatte. Vor drei Monaten, nach dem Attentat auf einen Polizisten in Mannheim, bekräftigte Faeser ihre Forderungen nach strengeren Regeln. Zuletzt sprach sie sich Mitte August für eine Gesetzesverschärfung aus.
Die Innenministerin befürwortet ein generelles Verbot von Springmessern. Außerdem soll verboten werden, Messer mit langer Klinge in der Öffentlichkeit bei sich zu führen. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, sollen nach Faesers Vorstellung nur noch Messer mit einer Klingenlänge bis sechs Zentimeter erlaubt sein; bislang sind es zwölf. Genauere Pläne zur Änderung des Waffenrechts werde man „in Kürze“ vorlegen, hieß es jüngst aus dem Innenministerium. Faeser kündigte außerdem an, auch die Länder in die Pflicht zu nehmen. Messerverbote müssten konsequent durchgesetzt werden, mahnte sie, Kommunen mehr Waffen- und Messerverbotszonen einrichten.
Am Sonntag bekräftigte ein Sprecher des Innenministeriums auf Nachfrage der F.A.Z., dass Messer mit einer Klingenlänge von mehr als sechs Zentimetern „schwere Verletzungen innerer Organe in Bauch- oder Brusthöhle verursachen könnten, die lebensbedrohlich sein könnten“. Eine Verschärfung der waffenrechtlichen Vorschriften könne allerdings nur „ein Baustein einer Gesamtstrategie zur besseren Bekämpfung der Messerkriminalität“ sein. Messerverbote müssten konsequent durchgesetzt werden, so wie es die Bundespolizei mit Kontrollen an Bahnhöfen mache, so der Sprecher. Auch er verwies darüber hinaus auf Waffen- und Messerverbotszonen.
Klingbeil: Deutschland hat Problem mit Messergewalt
Auch der SPD-Vorsitzende Lars Kingbeil verlieh den Forderungen der Innenministerin am Sonntag Nachdruck. Es müssten alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, „damit Messer von Deutschlands Straßen und Plätzen verschwinden“, sagte Klingbeil der „Bild am Sonntag“. Ähnlich äußerte sich der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dirk Wiese. Die Politik müsse endlich „bei den Messerverboten vorankommen“, sagte er der „Rheinischen Post“.
Die Grünen hatten schon Mitte August Zustimmung signalisiert und an die FDP appelliert, die Blockade aufzugeben. „Die FDP sollte sich diesem Sicherheitsgewinn nicht aus ideologischen Gründen entgegenstellen“, sagte Irene Mihalic, Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion. Zweifel an Faesers Plänen gibt es mit Blick auf deren Durchsetzbarkeit. Kriminologen äußern außerdem immer wieder, dass sich zumindest die Täter, die einen Angriff planen, nicht von Verboten abschrecken lassen.
Wie lang die Klinge des Messers war, das der Attentäter in Solingen benutzte, ist nicht bekannt. Unklar ist auch, ob die Folgen mit einer kürzeren Klinge weniger dramatisch gewesen wären.