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Besuch in Leipzig: Wie Habeck zum obersten Schwarzmaler wurde

Besuch in Leipzig: Wie Habeck zum obersten Schwarzmaler wurde

Biberach ist nicht Deutschland. Zumindest nicht nur. Das ist die beruhigende Nachricht, die von Robert Habecks Besuch in Leipzig am Mittwoch ausgeht. Angesichts der Rahmenbedingungen hätte die Reise des grünen Vizekanzlers und Wirtschaftsministers auch anders ausgehen können. Seine Partei ist im Osten nicht gerade wohlgelitten. Der Besuch auf einer Handwerkermesse und einer als Bürgerdialog deklarierten Veranstaltung hätten für Habeck unangenehm ausgehen können. Doch bis auf wenige Buhrufe aus dem Publikum auf der Leipziger Messe blieb die Stimmung friedlich – ganz anders als beim wegen der aufgeheizten Stimmung abgesagten Politischen Aschermittwoch der Grünen in Baden-Württemberg.

Drama gibt es dennoch, aber zur Abwechslung mal von Habecks Seite. So düster wie nie zuvor schildert der Wirtschaftsminister die Lage Deutschlands. Auf dem Podium in der Leipziger Messe bestätigt er, dass die Bundesregierung ihre Wachstumsprognose für dieses Jahr von den im Herbst noch erwarteten 1,3 Prozent auf nur noch 0,2 Prozent senken wird. „Dramatisch schlecht“ sei die Lage, sagt Habeck.

Die höheren Militärausgaben, die höheren Energiepreise und die Probleme mit China, das seien „drei markerschütternde Ereignisse, das sind schon fast die Zutaten eines Perfect Storm“. Später, während einer Veranstaltung mit Lesern der „Leipziger Volkszeitung“, sagte Habeck, Deutschland erlebe gerade „unter dramatischen Vorzeichen“ eine Wirtschaftswende. Im Herbst vergangenen Jahres, als er auf einen Abgesang des britischen „Economist“ auf die deutsche Wirtschaft reagierte, klang das noch anders. „Die deutsche Wirtschaft ist nicht krank – nur leicht außer Form“, lautete damals sein Befund.

Deutschland ist Schlusslicht in Konjunkturprognosen

Doch die Zeit der Beschwichtigungen ist vorbei. Zu offenkundig ist, dass das von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Aussicht gestellte grüne Wirtschaftswunder so schnell nicht kommen wird, Deutschland das Schlusslicht in den internationalen Konjunkturprognosen bleibt, sei es beim Internationalen Währungsfonds oder der Organisation der Industrieländer OECD. Hinzu kommt: Es nutzt Habeck durchaus, wenn er die Lage jetzt so schlecht darstellt.

Falls es doch nicht ganz so übel kommen sollte, könnte er im nächsten Bundestagswahlkampf der Minister sein, der Deutschland aus der Rezession geführt hat. Vor allem aber könnte es Habeck bei den jetzt anstehenden Gesprächen innerhalb der Ampelkoalition, aber auch mit der Union zur Stützung der Wirtschaft helfen. Je dramatischer die Lagebeschreibung, desto eher ließe sich vielleicht doch an der Schuldenbremse rütteln.

FDP ein Reizwort – auf dem Podium des „Handwerkspolitischen Forum Ost“ zum ersten Mal sagt. Alle Ökonomen bis auf einen seien inzwischen für eine Reform der Schuldenbremse. Mit dem einen, der es nicht ist, dürfte Lars Feld gemeint sein, ehemals Vorsitzender des Sachverständigenrats und heute persönlicher Berater von Finanzminister Christian Lindner (FDP). Später bei der Bürgerveranstaltung sagt er, in dem aktuell engen finanzpolitischen Korsett ließen sich kaum Wachstumsimpulse setzen. „Mit einer gewissen Neugier“ verfolge er daher, wie sich etliche CDU-Ministerpräsidenten auch offen für eine Reform zeigten.

Ministerpräsident Kretschmer ist im Wahlkampfmodus

Dass die Regierung ihre Wachstumsprognose so weit zurückschraubt, wie kommende Woche im Jahreswirtschaftsbericht zu lesen sein wird, führt Habeck auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu besagter Schuldenbremse zurück. „Die wirtschaftliche Erholung wird durch dieses Urteil gebremst“, sagt er. Weil Entlastungen wie die Subventionierung der Netzentgelte oder die Verlängerung der Energiepreisbremsen nach dem Urteil nicht mehr möglich gewesen seien, hätten Bürger und Unternehmen weniger Geld zur Verfügung. „Dieses Geld geht jetzt in die Strom- oder Gasrechnung, das schwächt die Nachfrage.“

Bei den Handwerkern sitzt allerdings ausgerechnet jener CDU-Ministerpräsident mit Habeck auf dem Podium, der so gar nichts von dieser Art von Wirtschaftspolitik hält: der sächsische Landesvater Michael Kretschmer. Zu den hohen Strompreisen in Deutschland sagt er: „Das kann man doch nicht alles wegsubventionieren mit Schulden.“ Das habe einst schon die DDR versucht, bekanntlich ohne Erfolg.

Leipzig nur kurz eine Rolle. In der Glaskuppel der „Leipziger Volkszeitung“ berichtet der Heizungsinstallateur Frank Oehmigen – einer von drei Lesern, die aus dem Publikum Fragen stellen dürfen – über die Verunsicherung durch die monatelange Debatte, bei seinen Kunden, aber auch bei ihm selbst.

Ob man so was in Berlin nicht erstmal „im stillen Kämmerlein“ klären könne? „Das war nicht aus der kalten Küche heraus“, sagt Habeck, man habe vorher durchaus Verbände und Experten angehört. Aber 2022 sei die Sorge vor einem Gasmangel eben sehr groß gewesen.

„Es gab ja keine Vorgabe, dass bestimmte Heizungen nicht mehr eingebaut werden dürfen“, sagt Habeck dann noch. Eine nonchalante Umdeutung der Ereignisse, denn der erste Gesetzentwurf sah sehr wohl vor, dass schon ab Januar 2024 beim Austausch einer Heizung die neue zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien hätte laufen müssen. Doch das überwiegend ältere-bürgerliche Publikum nimmt es ihm nicht übel. Die Stimmung ist heiter, immer wieder gibt es Zwischenapplaus für Habeck. Und am Ende Selfie-Wünsche mit ihm.

SPD und Grüne wollen mehr Schulden, die FDP nicht – auflösen lässt, dafür hat auch Habeck am Mittwoch keine Lösung. Nur einen Lösungsvorschlag zur Vorgehensweise. Es müssten „alle raus aus ihren – wie soll ich sagen – warmen, gemütlichen Ecken“, sagt er. „Die Zeit für Gemütlichkeit ist wirklich vorbei.“

Die Grünen, das hat Habeck in der Vergangenheit oft genug deutlich gemacht, haben sich aus seiner Sicht schon weit aus der Komfortzone begeben, ob bei der Aufrüstung der Ukraine oder dem Bau der Flüssiggasterminals. Habecks Botschaft aus Leipzig lautet: Jetzt sind mal die anderen dran.

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