MEMPHIS REISEN
Grosse Pyramide von Gizeh

Entdecke die Magie des Moments!

Folgen Sie
s

MEMPHIS REISEN

Börse: Warum viele Aktionäre sich von Öko-Anlagen wie ESG abwenden

Ein neues Wort ist in Amerika in Mode gekommen. Es lautet „Green-Hushing“ und kann für ungeübte Ohren sehr leicht mit einem anderen, ganz ähnlich klingenden Wort ­verwechselt werden – nämlich mit „Greenwashing“. Die beiden Begriffe bezeichnen allerdings vollkommen entgegengesetzte Dinge: Greenwashing nennt man es, wenn Unternehmen ihre Produkte als grüner und nachhaltiger verkaufen, als sie es eigentlich sind. Mit Green-Hushing dagegen (abgeleitet aus dem englischen Verb für „verschweigen“) ist gemeint, wenn Firmen in der Öffentlichkeit möglichst gar nicht mehr über eigene grüne Projekte reden.

Letzteres klingt erst einmal ungewöhnlich, passiert aber in diesen Tagen überall auf der Welt. An vorderster Stelle betreiben ausgerechnet jene Unternehmen dieses seltsame Spiel, die früher gar nicht aufhören konnten, von den eigenen Bestrebungen im Bereich der Nachhaltigkeit zu schwärmen.

Die Rede ist von Fondsgesellschaften und Bankhäusern, die sich noch vor Kurzem selbst darin übertrafen, in einer Pressemitteilung nach der anderen über die eigene Großartigkeit in Sachen „ESG“ zu jubilieren. Das Kürzel steht für eine Form der Geldanlage, die sich daran orientiert, wie sehr Unternehmen auf Umweltaspekte („Environmental“), Soziales („Social“) und vorbildliche Führungsstrukturen („Governance“) in ihrer Geschäftspolitik achten.

Lange galt: lieber Grüne Energie als Öl

Lange lautete das Versprechen vieler Fondsgesellschaften an ihre Anleger: Wer in solche nachhaltigen Aktien investiert, tut nicht nur etwas Gutes für die Welt, sondern hat auch Aussichten auf höhere Renditen. Denn in Zeiten des Klimawandels, so ging das Verkaufsargument weiter, hätten auch an der Börse diejenigen Unternehmen einen Vorteil, die sich an die Spitze der Bewegung setzten. Also zugespitzt formuliert: lieber grüne Energie als Öl ins Portfolio.

Doch plötzlich will kaum noch jemand etwas von den früheren Versprechen wissen. Die Fondsgesellschaften möchten nicht mehr darauf angesprochen werden, und auch die Anleger haben das Interesse verloren. Verschiedene Umfragen zeigen, dass das Thema des umweltgerechten Investierens für viele nicht mehr so eine große Rolle spielt wie noch zu Hochzeiten von Bewegungen wie Fridays for Future in den Jahren 2019/2020.

„Es herrscht Katerstimmung“, sagt Christian Klein, Professor für Nachhaltige Finanzwirtschaft an der Universität Kassel. Seine Erklärung für die große Ernüchterung, die Börsenprofis genauso erfasst hat wie Privatanleger, ist eine ökonomische: „Man ist sich mit einem Mal bewusst geworden, mit welchen Kosten diese ganzen Umwälzungen einhergehen. Sie sind mit Mühen verbunden und nicht zum Nulltarif zu haben.“ Ohne die Aussicht auf eine anstrengungslose Rendite verliert das Thema sowohl aufseiten der Fondsgesellschaften als auch bei deren Anlegern an Reiz.

„Plötzlich gab es für alle sichtbar ein Preisschild“

Um welche Kosten aber geht es genau? Und warum sind die Fondsgesellschaften dazu übergegangen, selbst über ernsthaft bestehende ökologische Anstrengungen so gut wie gar nicht mehr zu reden? In Deutschland hat das mit einem Skandal zu tun, der die Fondsgesellschaft DWS vor gut zwei Jahren erfasste. Der schwerwiegende Vorwurf lautete: Die Gesellschaft habe Fonds als grüner und nachhaltiger verkauft, als sie eigentlich seien. Der damalige Vorstandsvorsitzende Asoka Wöhrmann musste daraufhin seinen Posten aufgeben, die Fondsgesellschaft kam wochenlang nicht aus den Schlagzeilen. Noch immer ist die Angelegenheit nicht abschließend geklärt, die DWS hat zwar übertriebenes Marketing eingeräumt, bestreitet den Kern des Vorwurfs jedoch nach wie vor.

Die Vorgänge hatten größere Auswirkungen auf die Branche, als man im ersten Moment annehmen würde. Denn die DWS ist zwar mehrheitlich im Besitz der Deutschen Bank, ihre Aktie notiert aber seit einigen Jahren an der Börse. Und dort reagierte der Kurs ganz erheblich auf das Chaos rund um den Abgang des Vorstandsvorsitzenden Wöhrmann: Die Aktie gab um fast zehn Prozent nach. Über Nacht hatte die DWS mehrere Hundert Millionen Euro an Börsenwert verloren. „Plötzlich gab es für alle sichtbar ein Preisschild, wie viel ein Unternehmen der verfehlte Umgang mit der Nachhaltigkeit kosten kann“, sagt Finanzprofessor Klein. Aus einem vermeintlichen Gewinnerthema war so ein Geschäftsrisiko geworden.

Heute spricht man lieber von „Transformation“

Wäre es allein dabei geblieben, hätte man die Sache vielleicht irgendwann vergessen. Aber zugleich ist seitdem in den Vereinigten Staaten eine Entwicklung in Gang gekommen, die auch hierzulande genau beobachtet wird: Viele republikanisch geführte Bundesstaaten wie Texas geißeln alles, was auch nur im Entferntesten den Interessen der klassischen ­heimischen Industrie schaden könnte, als „woke“.

Zwar ist Texas mittlerweile auch einer der größten Erzeuger von erneuerbaren Energieträgern. Trotzdem hat man dort unlängst ein Gesetz beschlossen, das öffentliche Aufträge an Banken und Unternehmen verbietet, die beispielsweise Maßnahmen gegen Ölkonzerne vorgenommen haben. Dazu zählt nach Ansicht der Republikaner auch schon, wer sich in der Geldanlage dazu bekennt, ESG-Kriterien anzuwenden.

Dem gewaltigen Druck, der damit einhergeht, kann auch die weltgrößte Fondsgesellschaft Blackrock nicht standhalten. Blackrock-Chef Larry Fink hatte stark auf den Nachhaltigkeitstrend gesetzt, sah sich aber in immer stärkerem Maße auch persönlichen Angriffen ausgesetzt. Seitdem hat Blackrock das Engagement für das Thema deutlich zurückgefahren. Auch wenn die Auseinandersetzung in dieser Schärfe hierzulande nicht geführt wird, macht sie doch Eindruck: Dass selbst die einflussreichste Fondsgesellschaft der Welt einen Rückzieher macht, bleibt nicht ohne Wirkung auf die Branche.

Bei den Anlegern hat die Euphorie ebenfalls stark nachgelassen. Das Forum Nachhaltige Geldanlage hat für seinen jüngsten Marktbericht festgestellt: Die Summe der Gelder, die deutsche Anleger in nachhaltige Publikumsfonds investiert haben, ist im vergangenen Jahr um 17 Prozent gegenüber 2022 gesunken auf rund 260 Milliarden Euro. Noch immer steckt viel mehr Geld in klassischen Fonds.

Die Gründe für diesen Rückgang sind jedoch anders gelagert als bei den Profis. Hatten sich nachhaltige Geldanlagen eine Zeit lang besser entwickelt als andere, so war dies seit dem Ausbruch des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine vorbei. Plötzlich waren an der Börse Unternehmen beliebt, die nach Ansicht von Nachhaltigkeitsfans eigentlich unter einem dauerhaften Kursabschlag hätten leiden sollen – nämlich die Aktien von Ölkonzernen und Rüstungsunternehmen. Da solche Titel in Ökofonds üblicherweise keinen Platz finden, entging nachhaltig orientierten Anlegern eine Menge Rendite.

Ärger mit dem Kleingedruckten

Das hätten nicht wenige um der Sache willen vielleicht noch hingenommen – aber tatsächlich war dies auch der Moment, wo die Aktienkurse von Unternehmen aus dem Bereich der erneuerbaren Energie regelrecht abstürzten (siehe auch Grafik). Darin kam unter anderem eine neu erwachte Skepsis vieler Anleger zum Ausdruck. Würden diese Firmen die Klimawende tatsächlich so reibungslos vollziehen können wie gedacht? Am Ende stand die bittere Erkenntnis: Noch nicht einmal die Hoffnung, mit der Rettung der Welt zumindest keine Verluste zu machen, ging also in jüngster Zeit noch auf.

Hinzu kam, was man als Ärger mit dem Kleingedruckten bezeichnen könnte. Seit zwei Jahren sind Finanzberater dazu verpflichtet, Kunden einen speziellen Fragebogen vorzulegen, wenn diese nachhaltig investieren wollen. Die ursprüngliche Idee dahinter war, auf diese Weise zusätzliche Aufmerksamkeit für das Thema zu schaffen. Doch zu hören ist: Selbst Berater, die dem Gedanken positiv gegenüberstehen, raten mittlerweile dazu, auf die Frage nach der Nachhaltigkeit lieber mit „Nein“ zu antworten. Sonst müsse man viel Zeit auf das Beantworten des sehr komplexen Fragebogens verwenden. Henrik Pontzen, bei der Fondsgesellschaft Union Investment für Nachhaltigkeit verantwortlich, sagt: „Das ist der Sache leider nicht förderlich.“

Pontzen gehört zu den wenigen Fachleuten, die all diese Veränderungen nicht nur negativ deuten. Klar, über das Übermaß an regulatorischen Vorgaben ist auch er nicht glücklich, genauso wenig wie über die jüngsten Kursverluste und den Gegenwind aus Amerika. „Das Gute an diesem Prozess ist: Der Markt macht einen Reifeprozess durch, da sind gewisse Rückschläge normal.“ Und auch die heftige Auseinandersetzung in den Vereinigten Staaten zeige am Ende nur, dass das Thema mittlerweile wirklich ernst genommen werde – ganz nach dem Motto: Viel Feind’, viel Ehr’.

Tatsächlich ist nicht davon auszugehen, dass die Finanzwelt alle Anstrengungen auf dem Feld nun einfach einstellen wird. Stattdessen ist eine Art Umetikettierung zu beobachten: Wo früher von Nachhaltigkeit und ESG die Rede war, wird nun lieber von einer „Transformation“ gesprochen, die die Anleger begleiten müssten. Der Begriff schließt automatisch auch all jene Firmen mit ein, die zwar noch nicht zu den ökologischen Vorreitern gehören, aber sich bemühen, beispielsweise ihren CO₂-Ausstoß deutlich zu senken.

Auch solche Unternehmen explizit in der nachhaltigen Geldanlage zu berücksichtigen ist mit Blick auf die Renditeaussichten ohnehin die klügere Variante: Wer zu viele Unternehmen ausschließt, dessen Investmenterfolg hängt logischerweise am Ende allein von der Wertentwicklung einiger weniger Aktien ab. Das kann ziemlich schiefgehen. „Sein Geld auch in braune Unternehmen zu investieren, die sich glaubwürdig transformieren, ist eine Sache des gesunden Menschenverstandes“, sagt Fachmann Pontzen.

Die vielen Wendungen in der jüngeren Geschichte des nachhaltigen Investierens zeigen allerdings: Man darf gespannt sein, ob das am Ende alle so sehen.

Post a Comment

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

English
Hallo! Fragen? Wir sind hier 🙂
error: Content is protected !!