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Ex-Polizeibeamter: Einheit zwischen Ost und West gibt es nicht

Lieber Herr Tschauner-Bas, in Ihrer Bewerbung für die Debattenaktion „Deutschland spricht“ schreiben Sie, es mache Sie zuversichtlich, dass die „stillen Anhänger der Demokratie“ sich gezeigt haben und in der Mehrheit bleiben. Wie haben Sie das gemeint?

Nach dem Bericht über das Potsdamer Treffen von Rechtsextremen sind die zuvor stillen Demokratieanhänger in ganz Deutschland auf die Straße gegangen und haben sich gezeigt. Das war ein wichtiges Signal. Politikern, die die Demokratie gefährden, sollte man keine Plattform bieten. Und wenn sie doch eine haben, sollten wir als Demokraten öffentlich widersprechen. Das ist nach dem Potsdamer Treffen passiert. Ich war selbst bei einer großen Demo in München. Ich habe viele getroffen, die ich kannte. Das war ein gutes Gefühl. Das stimmt mich zuversichtlich, dass die Mehrheit demokratische Werte vertritt – auch wenn uns die Demokratiefeinde manchmal etwas anderes weismachen wollen.

Wenn Sie bei den anstehenden Landtagswahlen Ihre Stimme abgeben könnten, welches Thema würde für Sie die größte Rolle spielen?

Für mich würden die Wahrung der demokratischen Grundsätze und die innere Sicherheit im Vordergrund stehen. Aber es stimmt, dass die Ostdeutschen nach wie vor abgehängt sind. Es geht ja schon da los, dass immer noch zwischen Ost und West unterschieden wird – auch in den Medien. Die beschworene Einheit, die man gern hätte, gibt es bis heute nicht. Ost und West bewegen sich eher wieder auseinander. Wenn ich im Osten wohnen würde, wäre es mir wichtig, dass man weiterhin nichts unversucht lässt, dieser Entwicklung entgegenzusteuern. AfD und BSW sind so stark geworden, weil die Menschen unzufrieden sind. Das sollten wir ernst nehmen. Und wir sollten die Menschen ausreden lassen, wenn sie ihre Sorgen äußern, und sie nicht sofort abwiegeln, nur weil sie Themen der AfD aufgreifen. Das schadet der Demokratie. Wir dürfen niemandes Meinung limitieren, nur weil sie uns nicht passt. Ich selbst bin weit davon entfernt, mit der Themensetzung der AfD übereinzustimmen, aber wenn deren Wähler ihre Sorgen äußern, müssen wir zuhören und das ernst nehmen.

Auf welchen Ausgang der Landtagswahlen in den ostdeutschen Bundesländern hoffen Sie? Welche Koalition wünschen Sie sich?

Ich würde es begrüßen, wenn die CDU im Osten Mehrheiten jenseits der AfD findet. Ich könnte mir eine Koalition mit dem BSW vorstellen. Das BSW ist weniger extrem als die AfD. Für SPD, FDP und die Grünen ist im Osten derzeit nicht viel zu holen, aber man könnte sie als kleine Splitterparteien in die Koalition einschließen, um eine Mehrheit zu sichern. Eine von der AfD geführte Regierung unter Björn Höcke wäre ein Albtraum. Die Anzahl rechtsextremer Mitglieder, auch er selbst – das ist mir zu gefährlich. Ich möchte nicht absprechen, dass es auch konservative Mitglieder in der AfD gibt, ebenso wie deren Wähler. Viele wünschen sich einfach einen Wechsel und sind enttäuscht von den sogenannten Altparteien.

Hatten Sie persönlich in letzter Zeit eine Begegnung mit einem Ostdeutschen oder jemandem, der in Ostdeutschland lebt? Wie war das? Was hat Sie da beeindruckt oder verunsichert?

Ich war immer wieder im Osten, auch beruflich, und erst vor Kurzem wieder in Halle. Eine große Enttäuschung ist dort spürbar, aber auch ein Wandel wie 1990, nur umgekehrt. Die Menschen fühlen sich in ihren Sorgen nicht gesehen. Klar, in den größeren Städten wie Leipzig, Dresden oder Chemnitz ist schon viel passiert, dort ist die Differenz zu westdeutschen Städten nicht mehr so groß. Aber im Grenzgebiet zu Polen oder im ländlichen Bereich ist gefühlt nichts angekommen. Dort ist die Arbeitslosigkeit hoch und die Enttäuschung groß. Dort wünschen sich viele „den“ starken Anführer, der kommt, die Probleme anpackt und den Karren aus dem Dreck zieht. Diese Position verunsichert mich jedoch eher, das hat einen bitteren Beigeschmack.

„Ich würde es begrüßen, wenn die CDU im Osten Mehrheiten jenseits der AfD findet“, sagt Oliver Tschauner-Bas.
„Ich würde es begrüßen, wenn die CDU im Osten Mehrheiten jenseits der AfD findet“, sagt Oliver Tschauner-Bas.Simon Koy

Haben Sie Sorge, öffentlich Ihre Meinung zu äußern?

Nein, ich habe keine Sorge, meine Meinung öffentlich zu äußern. Wir leben in einer Demokratie, und wir können freiheraus sagen, was wir wollen. In Deutschland gibt es ein breites Spektrum politischer Meinungen. Wir haben Glück, dass wir nicht zensiert, nicht mundtot gemacht werden. Auch falls jemand gegen die Regierung öffentlich spricht, muss er keine Sanktionen befürchten. Das Glück haben die Menschen in anderen Ländern nicht – wie in China etwa. Was sich in den letzten Jahren geändert hat, ist die Heftigkeit der Gegenreaktion, die man erfährt, wenn man seine Meinung mitteilt. Ich selbst betreibe einen kleinen Reiseblog, völlig unpolitisch. Es ist erstaunlich, wie die Menschen die Worte dort auf die Goldwaage legen und sofort dagegen motzen, wenn ich mal ein falsches Wort benutzt habe oder etwas nicht ganz stimmt. Das ist im Kleinen wie im Großen dasselbe. Das Ampel-Bashing, das derzeit in Mode ist, ist kaum auszuhalten, es wird nur noch draufgehauen. Auch die Beleidigungen im Netz sind schlimm. Wenn ich im Internet lese, dass Annalena Baerbock als „Hure“ beschimpft wird, dann kann ich nur noch fragen: Geht’s noch? Das sind keine Meinungsäußerungen, sondern gehört angezeigt.

Wären Sie persönlich im Kriegsfall bereit, für Deutschland zu kämpfen? Würden Sie Ihre eigenen Kinder kämpfen lassen?

Ich habe fünf Kinder, ein Sohn ist Soldat. Der würde sicher für sein Land kämpfen. Bei mir stellt sich die Frage in meinem Alter nicht mehr, aber auch ich wäre früher bereit gewesen. Meinen anderen Kindern würde ich sagen, sie sollen nach ihrem Gewissen entscheiden, was sie im Ernstfall tun. Ich würde ihnen keine Vorschriften machen, das heißt aber auch, dass ich ihnen nicht raten würde zu flüchten. Wenn der Krieg kommt, bleibt keine Zeit zum Überlegen. In der Ukraine saßen die Studenten an einem Tag noch im Hörsaal und am nächsten hatten sie ein Gewehr in der Hand und waren auf dem Weg an die Front. Besser wäre es, wenn wir in so einem Fall eine gut ausgebildete Armee haben. Deswegen wäre ich für die Einführung einer „Wehrpflicht light“, die etwas weniger streng ist als die, die ich erlebt habe, als ich jünger war. Sie sollte etwas flexibler sein, was den Zeitpunkt angeht. Junge Menschen sollten erst ihre Ausbildung abschließen können, bei gesundheitlichen Beeinträchtigungen sollte nicht ausgemustert, sondern eine andere Verwendung geprüft werden. Sie sollte dennoch als Pflicht deklariert werden. Die Weltlage ist heute eine andere. Den Nahostkonflikt wird es immer geben, fürchte ich. Die Lage in der Ukraine ist instabil und nicht sehr weit von uns entfernt: Und wenn es nach mir geht, sollte Europa sich unabhängiger von Amerika machen. Deswegen sollten wir uns als Land verteidigen können – und dazu gehört nun mal eine Armee.

Ein großes Reizthema bei den Wahlen in den ostdeutschen Bundesländern sind Flüchtlinge. Sowohl jene, die 2015 unter Merkel mit dem Slogan „Wir schaffen das“ ins Land kamen, als auch solche, die nun aus der Ukraine zu uns kommen. Haben Sie persönlich Berührungspunkte mit Geflüchteten?

Nein, das spielt in meinem Alltag überhaupt keine Rolle. Ich bin allerdings der Meinung, dass die Flüchtlinge aus der Ukraine nicht gesondert beurteilt werden sollten. Warum? Weil sie Flüchtlinge sind wie jeder andere, der auf der Flucht zu uns kommt. Mir macht Sorgen, dass Selenskyj sich entschlossen hat, Russland anzugreifen und ins Land einzumarschieren. Ich halte das für einen großen Fehler. Das mag taktische Gründe für ihn haben. Aber er bittet Europa und die Welt um Waffen und Unterstützung für einen Verteidigungskrieg – und jetzt greift er mit unseren Waffen Russland an. Damit ist für mich eine rote Linie überschritten. Dass die Ukrainehilfen der Bundesregierung nun umstrukturiert werden sollen, finde ich unter diesem Gesichtspunkt richtig. Wir müssen die Lage in der Ukraine und in Russland ständig neu beurteilen. Wir sollten einmal Entschiedenes auch wieder hinterfragen, wenn sich die Situation, so wie jetzt durch den Einmarsch in Russland, ändert. Der brandenburgische Ministerpräsident der SPD, Dietmar Woidke, hat vor wenigen Tagen infrage gestellt, ob es noch richtig ist, dass Ukraineflüchtlinge Bürgergeld statt Asylbewerberleistungen bekommen. Ich finde es richtig, dass die Frage gestellt wird. Trotzdem muss ich sagen, dass ich hier in München, wo ich wohne, nur wenig Berührung mit Flüchtlingen habe. Hier in München ist es bunt, und das ist gut so. Die Position der AfD, dass wir angeblich „überrannt“ werden, kann ich hier jedenfalls nicht beobachten. Einzelne Kommunen mit wenigen Tausend Einwohnern nehmen das sicher anders wahr, wenn dort plötzlich Hunderte Flüchtlinge in Unterkünften untergebracht werden sollen. Das ist sicher nicht einfach. Ich selbst habe privat zwei Jahre lang Flüchtlinge aus dem Jugoslawienkrieg unterstützt. Man kann sie nicht über einen Kamm scheren. Es gibt welche, die unser System ausnutzen, nur das Geld wollen und eine Integration verweigern, aber es gibt noch viel mehr Menschen, die Hilfe suchend zu uns kommen und unsere Unterstützung verdienen.

Oliver Tschauner-Bas ist 63 Jahre alt und pensionierter Polizeibeamter. Er wohnt in München. In der Interviewreihe „Sieben Fragen, sieben Antworten“ beantworten Teilnehmer der Leserdebattenaktion „Deutschland spricht“ Fragen zu den Wahlen in den ostdeutschen Bundesländern.

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