Geheimtreffen in Potsdam: Mit freundlicher Unterstützung der AfD
In kleinen Runden spricht Alice Weidel über die AfD oft wie über eine Firma. Da geht es dann ums Kongruenzprinzip der Organisation und um Gewinn- und Verlustrechnungen. Die Parteivorsitzende will die AfD professionalisieren. Wer sich aus ihrer Sicht ungeschickt anstellt, muss mit ihrem Zorn rechnen. Insofern dürfte es Weidel missfallen, dass nun weitere Verstrickungen von AfD-Leuten in das Geheimtreffen mit Rechtsextremen im November in Potsdam bekannt wurden.
Die AfD hatte bisher mitgeteilt, es gebe „weder eine organisatorische noch eine finanzielle Verbindung“ zur Partei. Doch eine Recherche von WDR, NDR und „Süddeutscher Zeitung“ kommt zum Ergebnis, dass die AfD offenbar stärker als bisher bekannt involviert gewesen sei. So soll ein Referent der Tagung, Arne Friedrich Mörig, aus Mitteln des AfD-Bundesvorstands bezahlt worden sein, genauer aus dem persönlichen Budget Weidels.
Arne Friedrich Mörig, Sohn von Gernot Mörig, dem Veranstalter des Treffens in Potsdam, hatte bei der Zusammenkunft einen Vortrag über die Gründung einer neurechten Social-Media-Agentur gehalten. Diese soll Youtuber und Werbepartner zusammenbringen. Der Recherche zufolge soll Mörig junior seit Ende 2022 bei der AfD unter Vertrag gestanden haben. Für den AfD-Vorstand soll er für Social Media zuständig gewesen sein.
Ende vergangenen Jahres – also nach dem Treffen in Potsdam, aber noch vor der Berichterstattung von „Correctiv“ darüber – soll Mörig die Pläne zur Gründung einer Influencer-Agentur auch dem AfD-Bundesvorstand präsentiert haben. Nach Veröffentlichung der „Correctiv“-Recherche soll der Vertrag mit Mörig gekündigt worden sein. Weidel, Mörig und die AfD ließen Anfragen dazu unbeantwortet, wie WDR, NDR und „Süddeutsche“ berichten.
Weidels langjähriger persönlicher Mitarbeiter Roland Hartwig soll Mörig in Aussicht gestellt haben, dass die AfD Interesse an einer Unterstützung seiner Agentur haben könnte. Von Mörig hatte sich Weidel in Reaktion auf das Bekanntwerden des Treffens schon getrennt, „in beidseitigem Einvernehmen“, wie es hieß.
Spendengelder aufs private Konto
Die Frage, in welchem Maße AfD-Funktionäre das Netzwerk, das in Potsdam zusammenkam, prägen, gewinnt auch durch einen weiteren Mann an Bedeutung: nämlich durch Thomas Grebien, der im Kreis Plön dem AfD-Kreisvorstand angehört. Er ist der aktuellen Recherche zufolge der Schwager von Gernot Mörig. Mörig soll bei ähnlichen Zusammenkünften darauf hingewiesen haben, dass Spendengelder für das Netzwerk über das private Konto seines Schwagers laufen sollten.
Im Zusammenhang mit dem Potsdamer Treffen veröffentlichte die AfD am Mittwoch ein Positionspapier zum Thema „Remigration“. Dort heißt es: „Die AfD unterscheidet nicht zwischen deutschen Staatsangehörigen mit und ohne Migrationshintergrund.“ In der Vergangenheit diffamierten allerdings immer wieder AfD-Politiker Deutsche mit Migrationshintergrund und sprachen von drohender „Umvolkung“ durch Zuwanderung.
Dass Treffen wie die in Potsdam keine Einzelfälle sind, darauf deutet nun auch ein Bericht der „Augsburger Allgemeinen“ hin. Demnach haben sich am 11. November, zwei Wochen vor dem Potsdam-Treffen, Aktivisten der Identitären Bewegung (IB) in einer Halle in Dasing, im bayerisch-schwäbischen Landkreis Aichach-Friedberg getroffen. Der bayerische Verfassungsschutz bestätigte der F.A.Z. das Treffen samt Teilnahme des IB-Ideologen Martin Sellner und die auf einen Internetbeitrag gestützte Schlussfolgerung, dass auch zwei Landtagsabgeordnete der AfD zugegen gewesen seien. Die AfD hat das Treffen bestätigt, nannte allerdings keine Namen.
Nach Recherchen der „Augsburger Allgemeinen“ handelt es sich um Franz Schmid, Vorsitzender der Jungen Alternative (JA) Schwaben, und um Daniel Halemba, gegen den wegen des Verdachts der Volksverhetzung ermittelt wird. Sellner kommentierte den Bericht auf Telegram mit den Worten: „Na und? Andere Parteien haben auch ständig Klausuren, Treffen und Vortragsabende mit NGOs und Autoren aus ihrem Spektrum.“
JA und IB sind in Bayern eng verwoben
An dem „ständig“ könnte etwas dran sein, zumindest, was Treffen wie das in Potsdam oder Dasing betrifft. Eine besondere Bedeutung kommt dabei der JA zu. Die AfD-Jugendorganisation ist etwa in Bayern aufs engste verwoben mit der IB. Aus der AfD heißt es sogar: „JA und IB sind in Bayern identisch.“ Gerne trifft man sich zum Beispiel im Gasthaus Zur Rose in Gremheim, im Landkreis Dillingen, ebenfalls in Bayerisch-Schwaben. Am 19. November, kurz nach dem Treffen in Dasing, hat sich dort der JA-Kreisverband Nordschwaben gegründet. Wichtigster Punkt sei „natürlich das Gewinnen von junge (sic) Patrioten und die Unterstützung der Mutterpartei“, heißt es auf der Einladung zum Frühschoppen.
Als Referenten angekündigt waren der erwähnte Franz Schmid, dazu Christoph Maier, der parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Landtagsfraktion, der im vergangenen Jahr von sich reden machte, weil er Rechtsextremisten, unter anderem IB-Aktivisten, in die Landtagsgaststätte eingeladen hatte. Außerdem unter den Referenten: Hubert Mayer, der als „Aktivist gegen die Flutpolder in Nordschwaben“ vorgestellt wird. Er wollte einst für die NPD in den Landtag, der Verfassungsschutz hat ihn auf dem Schirm, weil er im Verdacht steht, rechtsextremistische Tendenzen durch lokalpolitisches Engagement zu verschleiern. Seine Kontakte zur IB sind eng. Als Vorsitzende des JA-Kreisverbands Nordschwaben werden auch zwei IB-Leute genannt: Philipp Tremer und Robin Mengele.
Die IB steht auf der Unvereinbarkeitsliste der AfD – durch Zwei-Drittel-Mehrheit im Landesvorstand kann dieses Ausschlusskriterium aber ausgehebelt werden. Berührungsängste gibt es jedenfalls keine. Das gilt auch für die Themen. „Remigration“ ist in AfD-Kreisen tatsächlich ein gängiger Begriff, zuletzt affirmiert durch die Spitze der Landtagsfraktion. Es gibt Leute in der bayerischen AfD, die darunter verstehen, dass etwa die syrischen Bürgerkriegsflüchtlinge wieder zurück sollten, um ihr Land aufzubauen. Es gibt aber auch diejenigen, die weder Muslime noch Schwarze in Deutschland wollen. Dazu gehören nicht zuletzt JA-Leute, wie sie zuletzt in größerer Zahl auf dem Landesparteitag waren, gerne auch im Sellner-Look.
Ein weiterer Teilnehmer des Treffens in Potsdam sorgt derzeit in Stuttgart für Unruhe. Dort stellen sich Politiker gerade die Frage, ob sie etwas falsch gemacht haben bei der Vergabe von Bauaufträgen. Denn auf vielen mit Steuergeldern finanzierten Baustellen standen in der Vergangenheit Schaufelbagger des Unternehmens „Lautenschlager und Kopp“. Der 62 Jahre alte Chef der in Bad Cannstatt ansässigen Firma, Hans-Ulrich Kopp, soll nach der „Correctiv“-Recherche auch an dem Potsdamer Treffen teilgenommen haben. Auf eine per Mail gestellte Anfrage der F.A.Z. reagierte Kopp nicht.
Unter dem Pseudonym Friedrich von Lodenitz schrieb er zu Beginn der 1990er Jahre für die „Junge Freiheit“. Kopp war früher Mitglied der CDU, seit vielen Jahren bewegt er sich im Umfeld rechtsextremer Organisationen. Selbst wenn das Bauamt der Stadt Stuttgart oder die Staatliche Bauverwaltung vor der Veröffentlichung von den mutmaßlich rechtsextremistischen Auffassungen Kopps gewusst hätte, ist es rechtlich nahezu ausgeschlossen, den Unternehmer von der Vergabe auszuschließen – es gilt das „Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen“ (GWB).
Danach muss ein diskriminierungsfreies Bewerbungsverfahren garantiert sein. Ein Ausschluss ist bei einer rechtskräftigen Verurteilung etwa wegen Geldwäsche möglich oder wenn es Zweifel an der technischen oder beruflichen Leistungsfähigkeit des Unternehmens gibt. Die politische Gesinnung reicht nicht. Nach Auskunft der Stadt Stuttgart baut Kopp aktuell nicht für die Landeshauptstadt.