Manche sehen gar die NATO hinter dem Attentat auf Fico
Während der Zustand des slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico weiter ernst ist, sprießen allerhand Verschwörungstheorien rund um das Attentat. Diese beschäftigen nun auch die Europäische Kommission. Sie teilte mit, dass sie Falschnachrichten über den Schusswaffenangriff am Mittwoch „aktiv überwacht“. Falls die Betreiber sozialer Medien nicht dagegen vorgingen, könnten sie auf der Grundlage des „Digital Services Act“ mit Geldstrafen belegt werden, hieß es in der Mitteilung vom Donnerstag.
Über den Angriff, bei dem Fico schwer verletzt wurde, wird mittlerweile weltweit spekuliert. Der Amerikaner Alex Jones behauptete am Donnerstag, dass NATO-Agenten für das Attentat verantwortlich seien. Er betreibt das Portal „Infowars“, sein Beitrag auf der Plattform X wurde bis zum Freitagmittag 130.000 mal angesehen.
Foto mit Vater des Oppositionschefs?
In eine ähnliche Richtung spekulieren russische Staatsmedien. Die Chefredakteurin des Propagandasenders RT, Margarita Simonjan, deutete auf ihrem Telegramkanal mit der Aussage „so funktionieren sie“ eine ukrainische Urheberschaft an. Demnach musste Fico für Positionen wie seine Opposition gegen Waffenlieferungen an die von Russland angegriffene Ukraine büßen. Der Brite Maajid Nawaz, ein früherer Radiomoderator, meint, dass Fico wegen seiner Opposition gegen den Pandemievertrag der Weltgesundheitsorganisation WHO niedergeschossen wurde.
Mannigfaltige Theorien gedeihen auch in der Slowakei. Hier geht es vor allem darum, den Attentäter Juraj C. mit konkreten politischen Akteuren in Verbindung zu bringen. Im Kreuzfeuer der Verschwörungstheoretiker steht die größte Oppositionspartei Progressive Slowakei (PS). Es wird behauptet, dass der 71 Jahre alte Attentäter mit ihr in Verbindung gestanden habe oder gar ihr Mitglied (gewesen) sei. Die Partei bestreitet dies nachdrücklich. Überdies kursiert die Behauptung, dass C. auf einem Foto mit dem Publizisten Martin Milan Šimečka zu sehen ist, dem Vater des PS-Parteivorsitzenden Michal Šimečka.
Diese Behauptung wird auch von den Faktencheckern der Seite „Hoaxy und podvody“ des slowakischen Innenministeriums als Falschmeldung klassifiziert. Ebenso gilt dies für die Aussage, wonach die Ehefrau von C. eine geflüchtete Ukrainerin sei. Auch ein Mitglied der mittlerweile aufgelösten prorussischen Miliz „Slovenskí branci“ sei der Attentäter nie gewesen, obwohl er in der Vergangenheit an einer Aktion der Gruppe teilgenommen habe.
Innenminister Matúš Šutaj-Eštok sagt, dass der Angreifer keiner radikalen Gruppe angehört habe. Es handele sich um einen „einsamen Wolf“. Die Spuren, die C. im Internet hinterlassen hat, weisen auf ein diffuses Weltbild im Wechsel zwischen politischen Extremen hin.
Die Nähe der Regierung zu Verschwörungstheoretikern
Doch auch wenn der Innenminister und sein Ministerium den Falschmeldungen den Kampf angesagt haben, bleibt ein Problem: Vor allem Vertreter der aktuellen Regierungskoalition haben sich in jüngster Vergangenheit mit der heimischen Szene der Verschwörungstheoretiker eingelassen. Im März ist ausgerechnet der Innenminister in einer Sendung aufgetreten, die aus der Ferne von einem polizeilich gesuchten Extremisten mitmoderiert wurde.
Der unter dem Pseudonym „Danny Kollar“ auftretende Mann tat sich mit rechtsextremen und antisemitischen Äußerungen hervor. Er ist unter anderem wegen Drohungen angeklagt und konnte sich in Großbritannien bisher einer Auslieferung in die Slowakei entziehen. Auch Robert Fico war vor seiner Rückkehr ins Ministerpräsidentenamt im vergangenen Jahr in einer Sendung mit dem Mann aufgetreten. Fico versprach darin explizit, die sogenannten alternativen Medien zu stärken, die ihm seiner Ansicht nach weniger feindlich gesinnt sind als etablierte Medien wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk, der Privatsender Markíza oder die liberalen Zeitungen Denník N und SME.
Nach dem Attentat auf den Regierungschef am Mittwoch waren es ausgerechnet Kanäle wie jener von „Danny Kollar“, die Aufnahmen des Täters nach seiner Festnahme veröffentlichten. Nur zwei Stunden nach Bekanntwerden des Angriffs stellte der Extremist im Londoner Exil ein Bild online, das den Personalausweis des Attentäters zeigen soll. Ein Telegramkanal namens „Slowakischer Bär“ veröffentlichte ein Video, das nahelegt, dass C. seine Bluttat mit von der Fico-Regierung durchgeführten Rundfunk- und Justizreformen begründet. Das Material muss diesen Kanälen aus Kreisen der Polizei zugespielt worden sein.