MEMPHIS REISEN

In der ARD-Serie „Charité“ wird nicht behandelt, wer Prävention ablehnt. Dafür werden Organe gedruckt, Depressive geheilt – und Locked-in-Patienten sind in der virtuellen Welt nicht mehr gelähmt. Dystopie, Utopie oder Blödsinn? Ein Realitätscheck.

Ein Mann ist krank, er hat Krebs und braucht eine neue Leber. Das Organ kann im Drucker hergestellt werden, die Operation ein Roboter übernehmen. Alles kein Problem. Doch in der Klinik wird der Mann abgewiesen: Er hat zu viel Alkohol getrunken, seine Vorsorgeuntersuchungen geschwänzt und sich nicht gegen Leberkrebs impfen lassen. Sein Versäumnis, sein Pech.

So ist das zumindest in der vierten Staffel der ARD-Serie „Charité“, die in dieser Woche ausgestrahlt werden wird und in der Zukunft, im Jahr 2049, spielt. Dort wird das Bild eines Gesundheitssystems gezeichnet, in dem die Versorgung eines Patienten an ein Scoring gekoppelt ist. Ist er krankenversichert? Hat er alle Präventionsuntersuchungen, alle Impfungen absolviert? Wie alt, wie gesund ist er? In dieser Zukunftsvision gehören auch intime Daten nicht mehr dem Patienten allein, die Medizin basiert auf ihnen – wollen Ärzte menschlich handeln, müssen sie in den Untergrund. In dieser Dystopie halten Protestierende vor der Charité Schilder in die Luft „Wir sind Menschen, keine Nummern!“. Ist diese Zukunft wilde Utopie oder eine realistische Darstellung künftiger Gesundheitsversorgung? Und was ist mit den Errungenschaften, die in der Serie aufgezeigt werden, den Impfungen, Hirnimplantaten und OP-Robotern? Welche Rolle spielen Daten und Künstliche Intelligenz in der Medizin heute schon, und wird ausgerechnet die Technologie verhindern, dass der Mensch künftig in den Hintergrund gerät?