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Migration: Immer größeres Konfliktthema in Spanien

Die höchsten Zahlen hat Spanien noch nicht erreicht. Erst im Spätherbst, wenn der Atlantik ruhiger wird, nehmen die Ankünfte afrikanischer Migranten auf den Kanarischen Inseln richtig zu. Im ersten Halbjahr hat sich die Zahl jedoch schon verdoppelt. Vieles deutet auf ein neues Rekordjahr hin. Innenpolitisch ist jedoch schon der große Sturm ausgebrochen.

Nachdem die konservative Volkspartei zunächst spanische Fregatten vor die afrikanischen Küsten entsenden wollte, um Migrantenboote zu stoppen, fordert sie jetzt „massive Abschiebungen“. Als Vorbild empfiehlt die PP dem Sozialisten Pedro Sánchez den Sozialdemokraten Olaf Scholz. Dessen Ankündigungen nehmen die spanischen Konservativen für bare Münze.

Dem eigenen Regierungschef werfen sie dagegen vor, er werbe in Afrika für noch mehr Migranten. Die rechtspopulistische Vox-Partei hält der linken Minderheitsregierung vor, sie fördere eine „Invasion“ aus Afrika. Angesichts der Untätigkeit der Regierung müssten die Spanier bald „sich selbst dagegen verteidigen“.

Vox nutzt das Thema zur Schärfung ihres Profils

Nach dem Ende der Sommerpause versucht die Opposition, mit Migration politisch Boden gutzumachen – laut jüngsten Umfragen scheint das zumindest der PP auch zu gelingen. Sie zeigen auch, dass das Thema die Spanier so sehr beschäftigt wie seit Jahren nicht mehr: Auf der Liste der größten Probleme des Landes rückte es vom neunten auf den vierten Platz vor.

Wieder treiben die Rechtspopulisten von Vox dabei die PP vor sich her. Deren Vorsitzender Alberto Núñez Feijóo war ursprünglich angetreten, mit ruhiger Hand die PP in eine starke Volkspartei der Mitte zu verwandeln. Die Vox-Partei, die in den letzten Wahlen schwach abschnitt, folgt dem Beispiel anderer europäischer Rechtspopulisten und hofft, mit dem Migrationsthema ihr politisches Profil zu schärfen. Im Streit um die Verteilung von fast 6000 minderjährigen Migranten zog sich Vox aus allen fünf Koalitionsregierungen mit der konservativen PP zurück. Vox reagierte damit auch auf die Konkurrenz am rechten Rand. Die neu gegründete Partei „Die Party ist vorüber“ des spanischen Influencers Alvise Pérez hat es auf Anhieb mit drei Abgeordneten ins Europäische Parlament geschafft. Auch Pérez fordert „die massive Abschiebung“.

Regierung will Fluchtursachen bekämpfen

Die PP ließ daraufhin im Juli die Reform des Ausländerrechts scheitern. Sie sollte einen verbindlichen Schlüssel festlegen, mit dem minderjährige Migranten über die Regionen verteilt werden. Bisher ist die Region für sie verantwortlich, in der sie ankommen. Aber die Kanaren und die Nordafrika-Exklave Ceuta sind völlig überlastet. Auf den Inseln sind es bereits mehr als 5200 unbegleitete Kinder und Jugendliche, in der Kleinstadt Ceuta mehrere hundert.

Mit seiner Reise nach Mauretanien, Gambia und Senegal in der vorigen Woche wollte Pedro Sánchez zeigen, dass er sich um das Thema kümmert. In Zusammenarbeit mit den Herkunfts- und Transitländern will die Regierung mit Entwicklungshilfe die Fluchtursachen bekämpfen und mit den dortigen Sicherheitskräften gegen Menschenschmuggler vorgehen. Doch die Reise ging in populistischer Polemik unter.

Auf einmal attackierte die rechte Opposition Sánchez wegen eines alten und wenig erfolgreichen Konzepts: Mit befristeten Arbeitsmöglichkeiten in Spanien für rückkehrwillige Migranten will die Regierung den Zustrom in geregelte und sichere Bahnen lenken. Sie warb für die „zirkuläre Migration“, durch die bisher nur wenige Hundert Arbeitskräfte aus Westafrika nach Spanien gekommen sind. Als Sánchez bei seinem Mauretanien-Besuch im Februar darüber sprach, interessierten sich PP und Vox nicht dafür. Jetzt waren Sánchez’ Worte für sie auf einmal eine „Einladung“ für Hunderttausende Afrikaner.

Rückführungen sind schwierig

Dennoch war die PP am Ende der Reise zufrieden, denn aus ihrer Sicht hatte sich Sánchez gerade noch rechtzeitig korrigiert. Auf seiner letzten Station in Dakar sagte er, dass „die Rückkehr derjenigen, die irregulär ankommen, unerlässlich ist“. Das übermittle den mafiösen Schmugglernetzwerken eine klare Botschaft und entziehe ihnen die Geschäftsgrundlage. In Sánchez’ Umgebung wurde bestritten, dass das neue Töne seien, da Rückführungen schon immer zur spanischen Politik gehört hätten.

Doch Rückführungen in großer Zahl erwiesen sich schon in den Jahren, als die PP regierte, als sehr schwierig. Spanien hat mit den meisten westafrikanischen Herkunftsländern sowie Marokko und Algerien entsprechende Abkommen geschlossen.

Zahlen will die spanische Regierung nicht nennen. Die wenigen Rückführungen nach Westafrika hält sie geheim – angeblich, um dort Unruhe zu vermeiden. Algerien nimmt derzeit gar keine Staatsbürger zurück. In Europa bewegt sich Spanien im Mittelfeld. Laut Eurostat wies Spanien in den vergangenen zwei Jahren zwölf Prozent der Ankömmlinge wieder aus. Das ist mehr als Italien und nicht viel weniger als die 14 Prozent in Deutschland.

Massive Ankünfte im Herbst

Im Streit um mehr Abschiebungen, die Sánchez’ Juniorpartner Sumar vehement ablehnt, zeichnen sich keine schnellen Lösungen ab. Dringlicher – und lösbar – ist dagegen der Konflikt über die Verteilung der knapp 6000 Minderjährigen, die auf den Kanaren und in Ceuta festsitzen. Statt Konfrontation setzt das Solidarität voraus. Aber zuletzt wollten die Festlandregionen nur gut 300 von ihnen aufnehmen.

Regierung wie Opposition müssen sich bewegen – und Spanien muss sich für den Herbst rüsten, der voraussichtlich massive Ankünfte bringt. Auf den Kanaren befürchtet man, dass auf die bisher knapp 23.000 Migranten bald 70.000 weitere folgen könnten. Das wären mehr als doppelt so viele wie im vergangenen Jahr – und so viele wie noch nie.

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