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NATO-Geburtstag: Der Führer der freien Welt verkündet eine „historische Spende“

Als die NATO am 4. April ihren 75. Geburtstag feierte, war das eine nüchterne Veranstaltung im Brüsseler Hauptquartier der Allianz. Für ein wenig Aura sorgte nur das Original des Nordatlantikvertrags, der aus Washington eingeflogen worden war. Am Dienstagabend konnte sich das Bündnis dagegen auf den Genius Loci verlassen. Die Staats- und Regierungschefs der 32 Mitgliedstaaten begannen ihren Jubiläumsgipfel mit einer Gedenkfeier an dem Ort, wo der Vertrag einst von den zwölf Gründungsmitgliedern unterschrieben worden war: dem Andrew W. Mellon Auditorium, einem Tempel im neoklassizistischen Stil der amerikanischen Hauptstadt.

Es war ein durch und durch inszenierter Auftakt, eher wie ein Musical als eine Gedenkstunde, dick aufgetragen mit schmalziger Musik, emotionalen Bildern und einem Orden für den Generalsekretär der Allianz. Das alles rahmte die beiden Reden des Abends ein, von Jens Stoltenberg und dem amerikanischen Präsidenten. Und eine Botschaft, die Joe Biden sich für diese Gelegenheit aufbewahrt hatte. „Die USA, Deutschland, die Niederlande, Rumänien und Italien werden die Ukraine mit der Ausrüstung für fünf weitere strategische Luftverteidigungssysteme versehen“, kündigte er an. Neu war daran: Auch die USA liefern noch eine Patriot-Feuereinheit. Von einer „historischen Spende“ sprach Biden – darunter ging es nicht an diesem Abend.

Luftverteidigungssysteme entsprechen nicht den ukrainischen Erwartungen

Der ukrainische Präsident wirkte auf seine Weise mit. Nur Sekunden nach Bidens Ankündigung vermeldete Wolodymyr Selenskyj per Tweet, dass er seinen ersten Arbeitstag beim NATO-Gipfel mit einem „greifbaren Ergebnis“ begonnen habe, nämlich jenen fünf Luftverteidigungssystemen, die „Menschen, Städte und kritische Infrastruktur schützen“. Selenskyj saß im Publikum, er war zu dem Festakt eingeladen worden. Er danke Biden für dessen Führung und erinnerte noch einmal an den jüngsten russischen Angriff auf ein Kinderkrankenhaus. Auch das war Teil der Inszenierung: Erwartungsmanagement gegenüber dem Publikum in Kiew, das bei dem Gipfel wieder keine Einladung in die Allianz bekommen wird.

Auch die fünf Systeme entsprechen eigentlich nicht den ukrainischen Erwartungen. Sein Land benötige mindestens sieben weitere Patriot-Feuereinheiten, hatte der ukrainische Präsident Ende April gefordert. Deutschland war dann das erste Land, das eine weitere Lieferung ankündigte, es ist soeben in der Ukraine eingetroffen. Vor dem Gipfel sagte auch Rumänien eines zu. Die Niederlande stellen Komponenten für eine Feuereinheit, die sie nun mit Hilfe weiterer Partner beisammen haben. Italien stellt ein weiteres System des Typs SAMP/T, das gemeinsam mit Frankreich entwickelt worden ist. Diplomaten hatten sich vor dem Gipfel hoffnungsvoll gezeigt, dass es insgesamt sechs oder sieben Systeme in Washington würden. „Wir arbeiten an einer weiteren Ankündigung von weiteren strategischen Luftverteidigungssystemen für die Ukraine in diesem Jahr“, teilten die fünf Länder am Dienstagabend in einer Erklärung mit, um die Hoffnung am Leben zu erhalten.

Außerdem wollten die USA und ihre Partner der Ukraine „in den kommenden Monaten“ Dutzende taktische Luftverteidigungssysteme liefern, hieß es darin weiter. Konkret genannt wurden das von Deutschland entwickelte System Iris-T, das amerikanisch-norwegische System Nasams und das US-System Hawk sowie der deutsche Flugabwehrkanonenpanzer Gepard. Alle diese Waffen werden schon von den ukrainischen Streitkräften betrieben. Außerdem soll Kiew weitere Abfangraketen bekommen. Die USA würden bei Exporten sicherstellen, sagte Biden, „dass die Ukraine in der Schlange nach vorne geht“. Alles in allem werde das Land im kommenden Jahr „Hunderte“ weiterer Abfangraketen bekommen.

Biden machte einen vergleichsweise stabilen Eindruck

„Defending our Future“ stand in goldenen Lettern am Fuß der Bühne im Mellon Auditorium. Das Motto war natürlich auf die NATO gemünzt. Aber es passte an diesem Abend auch zur Lage des US-Präsidenten. Biden steht unter enormem Druck, seine Kandidatur für die zweite Amtszeit zurückzuziehen. Das Weiße Haus hatte noch am Montag alle Hände voll damit zu tun, Berichte über eine Behandlung wegen einer Parkinson-Erkrankung zurückzuweisen. Daran gemessen machte Biden einen stabilen Eindruck. Seine Stimme war laut, wenn auch nicht immer deutlich. Und der eher steife und statische Vortragsstil, dem Teleprompter geschuldet, wurde einmal von Ironie unterbrochen. Biden entschuldigte sich bei Stoltenbergs Frau dafür, dass ihr Mann seinen Vertrag immer wieder habe verlängern müssen – auf sein eigenes Betreiben hin.

Insgesamt war es ein guter Beginn für den Präsidenten, der sich vor heimischem Publikum als Führer der freien Welt präsentieren konnte. Dazu passte, dass er Stoltenberg am Ende noch einmal auf die Bühne bat, um ihm die präsidentielle Friedensmedaille um den Hals zu hängen, die höchste zivile Ehrung des Landes. „Let there be peace on earth“ wurde danach gesungen – zur Erinnerung daran, dass die NATO ein Friedensbündnis ist. Stoltenberg wusste beizutragen, dass sie mit 75 Jahren nun sogar ein Jahr älter ist als der Attische Seebund im antiken Griechenland – und somit „nicht nur die erfolgreichste und stärkste, sondern auch die am längsten währende Allianz der Geschichte“.

32 Verbündete kommen zu Sitzungen zusammen

Die Gedenkfeier war das Vorspiel zu den Arbeitssitzungen der Regierungschefs in den folgenden beiden Tagen. Am Mittwoch kommen sie zunächst als 32 Verbündete zusammen, erstmals ist nun auch Schweden als Mitglied dabei. In dieser Sitzung wollen die Chefs – wie üblich – die Abschlusserklärung annehmen. Da kehrt dann auch das Thema Ukraine wieder. Gerungen wurde bis zuletzt darum, ob sich das Land auf einem „unumkehrbaren Weg“ befindet, „der zur Mitgliedschaft führt“.

Deutschland hätte das gerne aus dem Text gestrichen. Weitere Waffen seien doch viel wichtiger als ein Wort in der Erklärung, so wurde das erläutert. Das Kanzleramt konnte sich jedoch nicht durchsetzen. Freilich wird Kiew zu weiteren Reformen ermahnt. Insbesondere die östlichen Verbündeten drangen auf eine verbindlichere Sprache in der Erklärung als im vorigen Jahr. Seinerzeit hieß es lapidar: „Wir werden in der Lage sein, die Ukraine zu einem Bündnisbeitritt einzuladen, wenn die Verbündeten sich einig und Voraussetzungen erfüllt sind.“ Selenskyj hatte das „absurd“ genannt – was zu einem öffentlichen Eklat führte.

Biden will „die Natoisierung der Ukraine“ nicht unterstützen

In diesem Jahr war von vornherein klar, dass Kiew weder eine Einladung zum Beitritt bekommen würde noch einen Beitrittstermin. Biden selbst machte das Anfang Juni mit drastischen Worten deutlich. Er sei nicht bereit, „die Natoisierung der Ukraine zu unterstützen“, sagte der Präsident dem Magazin „Time“. Zur Begründung verwies er auf „signifikante Korruption“, die ihm schon bei einem Aufenthalt als Senator aufgefallen sei. US-Diplomaten bemühten sich anschließend, diese Worte herunterzuspielen. Der Präsident habe nur einen Beitritt jetzt ausgeschlossen, aber nichts für die Zukunft, hieß es.

Einige Verbündete befürchten jedoch, dass es den USA und Deutschland als Anführer einer kleinen Gruppe von Skeptikern um etwas anderes geht: nämlich die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine als „bargaining chip“ einzusetzen, wenn es irgendwann einmal zu Verhandlungen mit Russland über ein Ende des Krieges gegen die Ukraine kommt. Länder an der Ostflanke sehen das extrem kritisch, daran ändert auch das Wort „unumkehrbar“ in der Abschlusserklärung nichts. Sie glauben, dass Russland nur dann von weiteren Angriffen abgeschreckt würde, wenn die Ukraine unter den Schutzschirm der Allianz rücke. Manche glauben gar, eine rasche Aufnahme jetzt könne den Krieg beenden. Hier bleibt eine Spannung, die von den Festivitäten in Washington überdeckt, aber nicht aufgelöst wurde.

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