Politischer Aschermittwoch: Söders Ratschläge für Aiwanger
Dafür, dass der Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger zuletzt gemutmaßt hat, dass es Kräfte im Land gebe, die die Stammtische abschaffen wollten, ist am Politischen Aschermittwoch der CSU in der Passauer Dreiländerhalle, dem angeblich „größten politischen Stammtisch der Welt“, gewohnt viel los. „Gefühlte 10.000“ hat der einstige Chef der niederbayerischen CSU Andreas Scheuer mal mit klarem Blick für die Wahrheiten hinter den Fakten gesagt. Oder mit Franz Josef Strauß gesprochen: „Die Halle ist um 8.30 Uhr geöffnet worden und sechs Minuten später, mit der Stoppuhr gemessen, war sie voll.“
Nach einem Jahr mit Wahlkampf, Erdinger Rede und Bauernprotesten ist es schwer, das normal gewordene Aschermittwochsniveau am Tag selbst noch mal zu heben, das heißt in gewisser Weise auch: zu unterbieten. Ob es gelingt?
Einstieg Martin Huber, CSU-Generalsekretär und Kritiker des allgemeinen Kiffens. Was er auf die Bühne zaubert, geht tatsächlich nicht mit Cannabis. Da braucht es was anderes, auch Talent. Huber mag kein Mann für die Matinee sein – politischen Aschermittwoch kann er. SPD stehe für „sechs Prozent dauerhaft“, ruft Huber in Richtung der in Vilshofen darbenden Sozialdemokratie. Bei der FDP in Dingolfing, so habe er, Huber, gehört, „sind es mehr Kellner als Gäste“. Um die Wirkung solcher Sätze ermessen zu können, muss man dabei gewesen sein.
Wasserbömbchen auf den Koalitionspartner Aiwanger
Bei den Ernährungsvorstellungen der Grünen (Stichwort Insekten) habe man den Eindruck, sie wollten aus ganz Deutschland das Dschungelcamp machen – aber nicht mit uns, liebe Freunde! Schließlich begrüßt Huber den niederbayerischen CSU-Bezirkschef Christian Bernreiter als „Niederbayern-Bomber“, was dieser dann mit dem einen oder anderen Wasserbömbchen auf Koalitionspartner Aiwanger auch einigermaßen einlöst: „Ein Minister ist in erster Linie zum Regieren gewählt und nicht zum Demonstrieren.“
Dann kommt Söder. Er weckt gleich gewisse Erwartungen – oder Befürchtungen, je nachdem: „Das ganze Jahr bin ich Staatsmann, aber heute gibt’s freie Fahrt.“ Dem früheren CSU-Vordenker Wilfried Scharnagl („Bayern kann es auch allein“) hätte seine Rede gefallen. Nur an einer Stelle lobt Söder Deutschland („deutsche Tugenden“), ansonsten hält er in großen Teilen eine Bavaria-first-Rede.
Bayern sei einfach am allerallergeilsten. Das sagte Söder zwar nicht, meint es aber genauso: „Andere hatten Panini-Alben, wir sammeln Nobelpreise.“ Er verlangt mehr Dankbarkeit – nicht nur von den Kirchen für seinen Kreuzerlass, der vor Gericht standgehalten hat, sondern auch, nur zum Beispiel, für das viele Geld, das Bayern in den Länderfinanzausgleich einzahlt.
Will Söder noch was werden in Deutschland? Zum Thema Kanzlerkandidatur sagte er nur: „Der Fritz und ich, wir werden das schon richten und wuppen.“ Ansonsten kaum ein Wort zur CDU. Zumindest auf Bremen und das Saarland scheint Söder nicht zu setzen. Bei seinen Bemühungen, den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk zu verschlanken, erwägt er nicht nur die Abschaffung von Radio Bremen und des Saarländischen Rundfunks, sondern gleich auch der dazugehörigen Bundesländer. Aber das ist womöglich nur ein Spaß.
Söder gegen Schwarz-Grün
Im vergangenen Jahr hat Söder sich in Passau definitiv auf einen Anti-Grün-Kurs festgelegt, das führt er nun fort. Im Unterschied zu Signalen, die zuletzt Merz gesendet hat, legt Söder sich fest: „Wir als CSU, wir wollen keine Grünen in der nächsten Bundesregierung, kein Schwarz-Grün“. Die Grünen seien „nicht regierungsfähig“.
Manfred Weber just mit dem Thema in seine nach Söder platzierte Rede einsteigt, allerdings ohne darlegen zu können, wie genau er Klimaneutralität erreichen will, außer mit weniger Vorschriften. Dafür gelingt Weber eine gewisse Emphase bei einem Thema, das in Söders Rede ebenfalls nur am Rande abgehandelt wird: der Krieg in der Ukraine.
Söder wandelt auf einem schmalen Grat, etwa, als er ohne nähere Erläuterung, die grüne Bundesumweltministerin Steffi Lemke als „unsere grüne Margot Honecker“ bezeichnet oder – skandalös – behauptet, dass „noch immer mancher Journalist“ ins „Spontankoma“ falle, „wenn sich Robert Habeck am Kinn kratzt“. Söder macht aber auch deutlich, dass die Ampel „niemals unser Feind“ sei: „Ihr seid nur schlecht, grottenschlecht“. Olaf Scholz erwähnt Söder übrigens kaum, offenbar ist dieser SPD-Mann, immerhin ja Bundeskanzler, so uninspirierend, dass dem CSU-Chef nicht einmal was Schlechtes über ihn einfällt.
AfD. Die Partei habe sich so radikalisiert, dass es inzwischen sogar Marine Le Pen vor ihr grause. Der Chef der Thüringer AfD, Björn Höcke, sei der „Putin-Pudel Nummer eins“ und Katrin Ebner-Steiner, AfD-Fraktionschefin im Bayerischen Landtag, eine „Leni Riefenstahl für Arme“.
Und wo sieht Söder dann die Freien Wähler? Die Passage über sie leitete er mit den Worten ein: „nicht ganz so schlimm wie die AfD“. Sein „Rat an unsere Freunde“ laute: „Populismus und Frustriertheit können andere besser“. Den Krokodilstränen offenbar nahe, setzt Söder hinzu: „Passt auf, dass Ihr da nicht reinrutscht, denn wenn euch das einmal passiert, dann seid Ihr auf kommunaler Ebene für Bürgermeister-, für Landratswahlen nicht mehr geeignet.“ Deshalb seine wohl temperierte Empfehlung: „Einfach weniger von dieser überzogenen Diktion zu verwenden, die Träume von einer Bundes-, und Weltregierung sind überzogen. Schuster, bleib bei deinen Leisten“ – und „einfach auch ab und zu auf die CSU hören“, dann könne nichts schiefgehen in Bayern.
Es ist am Niederbayern Weber, den Politischen Aschermittwoch mit dem Niederbayern Aiwanger abzurunden: „Der Hubert Aiwanger war in der letzten Legislaturperiode genau ein Mal in Brüssel und hat da Gespräche für die bayerische Wirtschaft geführt.“ Der bayerische Umweltminister Thorsten Glauber, ebenfalls von den Freien Wählern, sei sogar gar nicht dort gewesen. Dass Weber zum Ende aus einem Flugblatt zitiert, einem der „Weißen Rose“, ist vor allem gegen die Demokratie- und Europagefährder Höcke und Co. gerichtet. Es soll aber, ein paar Monate nach der Flugblatt-Affäre, auch als Wink an Aiwanger verstanden werden.