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Ukrainekrieg: Was wäre, wenn Macron Soldaten schickt?

Ukrainekrieg: Was wäre, wenn Macron Soldaten schickt?

Ende Februar hatte er so etwas Ähnliches schon einmal gesagt. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte damals widersprochen, und zwar gleich mehrmals und öffentlich. Jetzt aber hat Macron nachgelegt, und in Russland nahm Präsident Wladimir Putin das so ernst, dass er gleich einen Teil seiner Nuklearstreitkräfte ins Manöver schickte. Auch das politische Berlin summt wie ein Bienenkorb. Dabei werden unterschiedliche Tonlagen spürbar: Sozialdemokraten folgen dem Kanzler und sind meist skeptisch, bei Grünen und Liberalen sowie bei der Union aber können manche Macrons Gedanken über weite Strecken folgen.

Was aber hat der französische Präsident genau im Sinn? Nicht alles ist klar, aber seine bisherigen Äußerungen lassen zumindest erkennen, was er nicht meint. Macron hat zwar schon vor seiner ersten Bodentruppen-Äußerung einmal auf einem Empfang im Élysée-Palast bei einem Glas Whisky darüber sinniert, ob er nicht bald „unsere Jungs nach Odessa“ entsenden müsse. Trotzdem hat er nie erwähnt, dass er dabei an einen echten Kampfeinsatz denkt. Stattdessen zog er jetzt einen Vergleich zum französischen Einsatz im Sahel-Gebiet. Damit machte er klar, dass er nur mit einem begrenzten und genau definierten Mandat bereit sei, französische Soldaten zu entsenden.

„Der Präsident sagt nichts zufällig“

Verteidigungsminister Sébastien Lecornu hatte schon im März „kämpfende Bodentruppen“ in der Ukraine ausgeschlossen. Einer der Gründe dürfte sein, dass Frankreich einen größeren Kriegseinsatz gar nicht schaffen würde. Die Armee bereitet sich zwar auf einen Konflikt „hoher Intensität“ vor, aber der Militärfachmann Jean-Dominique Merchet hat unlängst festgestellt, das Heer könne im Augenblick höchstens eine 80 Kilometer lange Frontlinie halten. Dementsprechend sagte der Verteidigungsminister, Frankreich wolle die Ukraine allenfalls bei Aufgaben wie Minenräumung, Ausbildung oder Instandsetzung entlasten.

Aber das ist nicht alles. „Der Präsident sagt nichts zufällig“, stellt der frühere französische Generalstabschef, Armeegeneral François Lecointre, fest. Macron gehe es nicht so sehr um konkrete Einsatzpläne. Vielmehr nehme er wahr, dass Europa die Konflikte der Welt aus einer „virtuellen Blase“ heraus betrachte. Die Europäer hätten ein Modell der politischen Gestaltung entwickelt, in dem der Krieg als „schlimmste aller Barbareien“ erscheine – als etwas, was man „unbedingt auslöschen, delegitimieren und verleugnen“ wolle. Diese Blase sei trotz der Aggression Russlands gegen die Ukraine nicht geplatzt, aber der Präsident erzwinge jetzt einen Bewusstseinswandel. Tatsächlich ist Macron in der Zeitschrift „Economist“ an diesem Punkt sehr deutlich geworden: „Was mich umbringt, in Frankreich wie in Europa, ist der Geist der Niederlage“, stellt er da fest. „Und deshalb sage ich den Europäern: Wacht auf!“

In Berlin sind die Reaktionen sehr unterschiedlich. Nils Schmid, der außenpolitische Sprecher der SPD im Bundestag, hält das, was Macron da überlegt, für „in der Praxis nicht durchführbar“. Schließlich habe man „eine Festlegung in der NATO, dass wir in der Ukraine keine Bodentruppen einsetzen werden“. Die „alles überragende Erwägung“ sei, „dass die NATO nicht direkt in die militärische Konfrontation hineingezogen wird“. Es ist das Mantra des Kanzlers seit Beginn des Großüberfalls.

Der Widerspruch kam sofort: Emmanuel Macron und Olaf Scholz bei einer Pressekonferenz im März 2024.
Der Widerspruch kam sofort: Emmanuel Macron und Olaf Scholz bei einer Pressekonferenz im März 2024.AFP

Auf der anderen Seite steht Roderich Kiesewetter, Sprecher der Unionsfraktion für Krisenprävention. „Macron hat recht“, sagt er. „Wir dürfen in der Dynamik des Krieges offiziell gar nichts ausschließen. Wir sollten nicht für uns oder die Ukraine rote Linien ziehen, sondern für Putin.“

Auch in der Ampel denken einige führende Köpfe in diese Richtung. Marcus Faber von der FDP, der vermutlich demnächst den Vorsitz des Verteidigungsausschusses übernehmen wird, findet Macrons Ansatz „strategisch gut nachvollziehbar“. Macron wolle, „dass Russland eine Steigerung seiner Aggression als Risiko sieht“. Dass Scholz das so direkt zurückgewiesen habe, sei „unnötig“. Allerdings fügt der Liberale hinzu, in Deutschland zumindest sehe er „weder die Möglichkeit noch den Willen zum Einsatz eigener Truppen in der Ukraine“.

Bei den Grünen mischen sich Sympathie und Zögern. In ihren Apparaten gibt es einerseits Verständnis für Macron. Im Grundsatz, sagen manche, sei es nicht falsch, die Möglichkeit von Truppeneinsätzen offenzuhalten. Das schaffe „Dilemmata“ für Putin und zeige ihm, dass man auf seine nuklearen Drohungen nicht hereinfalle. Allerdings wollen die Grünen im aufziehenden Wahlkampf dem Kanzler nicht die Möglichkeit geben, sich als der alleinige Garant eines pazifistisch verstandenen „Friedens“ zu profilieren. Führende Abgeordnete versuchen sich deshalb im Sowohl-als-auch.

Agnieszka Brugger zum Beispiel, eine der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden. Sie hat einerseits Verständnis für das französische Argument, man dürfe einem „skrupellosen Aggressor“ wie Putin nicht dauernd kommunizieren, „was man alles unbedingt nicht tun wird“. Da klingt dann Sympathie für Macrons Gedanken mit. Andererseits signalisiert Brugger auch Verständnis für Scholz und seine ablehnende Klarstellung. Schließlich gebe es „verständlicherweise den Wunsch der Bürger, transparent zu erfahren“, wo die Bundesregierung stehe, wenn es um den „Einsatz von Bodentruppen“ gehe.

Auch Anton Hofreiter, Vorsitzender des Europaausschusses und der profilierteste Ukraine-Freund bei den Grünen, argumentiert zweigleisig. „Selbstverständlich plant niemand den Einsatz von Bodentruppen“, sagt er. Aber man solle auch nicht ständig sagen, „was man nicht tun wird“, denn das schwäche die Ukraine und helfe „am Ende nur Putin“. So lägen beide falsch: „Sowohl Macron als auch Scholz haben da Fehler gemacht.“

Flugabwehr aus dem Gebiet der NATO

Neben dem abwägenden Für und Wider im Großen und Ganzen gibt es aber in Berlin bei einigen Einzelpunkten auch eine auffällige Nähe zum Denken in Macrons Kriterien. Zum Beispiel bei einem Vorschlag aus der Fachwelt, der Ukraine bei der Abwehr der ständigen russischen Terrorbombardements zu helfen – mit westlichen Flugabwehreinheiten samt Besatzung vom Territorium der NATO aus. Fachleute wie Nico Lange von der Münchner Sicherheitskonferenz oder Generalleutnant Heinrich Brauß, ein früherer beigeordneter NATO-Generalsekretär, schlagen vor, von Polen oder Rumänien aus russische Geschosse über den Grenzregionen der Ukraine abzuschießen. Lange meint, so könne in der Ukraine ein sicherer Grenzraum von bis zu 70 Kilometer Breite entstehen. Das entlaste die ukrainische Flugabwehr in anderen Regionen und an der Front. So etwas wäre gewissermaßen der „halbe Macron“: Westliche Kräfte würden russische Angriffe zwar direkt zurückschlagen, aber eben nicht vom Gebiet der Ukraine aus.

Hier gehen auch in der deutschen Politik viele mit. Roderich Kiesewetter von der CDU sagt, mit grenzüberschreitender Flugabwehr könnten westliche Länder „unbemannte russische Flugkörper“ über der Ukraine abschießen. „Das würde die ukrainische Flugabwehr entlasten und ihr ermöglichen, die Front zu schützen“. Das Beispiel Israel, wo Einheiten aus Amerika, Großbritannien, Frankreich und anderen Ländern im April einen großen iranischen Luftangriff mit abgewehrt haben, zeige, dass teilnehmende Staaten in so einem Fall nicht zwingend „zur Kriegspartei“ werden müssten.

Auch in der Ampel gibt es Beifall. Bei den Grünen findet Agnieszka Brugger es richtig, „Systeme zur Luftverteidigung so an den Grenzen der Anrainerstatten zu stationieren, dass die westlichen Teile der Ukraine mit geschützt werden können“. Anton Hofreiter denkt ähnlich. „Flugabwehr über der Ukraine von Polen und Rumänien aus sollte man langfristig nicht ausschließen“, sagt er. Gegenwärtig stehe das allerdings noch „nicht zur Debatte“, denn Im Augenblick gehe es vor allem darum, im Rahmen der westlichen Waffenhilfe „deutlich mehr“ Gerät und Munition an die Ukraine selbst zu liefern.

Emmanuel Macron bei einer Übung der Fremdenlegion im französischen Département Guayana.
Emmanuel Macron bei einer Übung der Fremdenlegion im französischen Département Guayana.AFP

Faber von der FDP glaubt ebenfalls, dass „der Luftraum über den ukrainischen Grenzregionen“ im Prinzip „durch Luftverteidigungssysteme auf NATO-Territorium geschützt werden“ könnte. Allerdings, sagt er, seien Batterien und Raketen jetzt schon knapp. Deshalb müsse die nötige Munition langfristig gesichert werden. „Unter dieser Voraussetzung halte ich das für möglich“.

CDU, Grüne und FDP liegen da nahe beieinander; zumindest punktuell weht durch den Bundestag hier eine Brise Jamaika-Luft. Und sie weht noch ein Stück weiter – in die Berliner Szenarien für die Zeit nach einem künftigen Waffenstillstand zwischen der Ukraine und Russland zum Beispiel. Wie so eine Regelung aussehen könnte, weiß zwar noch niemand, aber Fachleute wie General Brauß oder der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, waren schon zu Beginn der russischen Großinvasion der Ansicht, angesichts der vielen gebrochenen russischen Friedensversprechen müsse jede künftige Waffenstillstandslinie durch westliche „Stiefel am Boden“ garantiert werden.

Beide haben diese Einschätzung jetzt im Gespräch mit der F.A.S. wiederholt und neue Details hinzugefügt. General Brauß erinnert daran, dass die NATO der Ukraine die Aufnahme versprochen hat. Daraus leitet er ab, dass der künftige Schutz des Landes der heutigen „Enhanced Forward Presence“ der Allianz im Baltikum ähneln sollte, wo die Bundeswehr gerade die Stationierung einer ganzen Brigade vorbereitet – nur eben „in größerem Maßstab“. Heusgen fügt hinzu, ein „Versprechen robusten Schutzes“ vonseiten der Verbündeten könne es für einen ukrainischen Präsidenten leichter machen, seiner Bevölkerung eines Tages „einen Frieden anzubieten, bei dem vielleicht nicht alle verlorenen Gebiete sofort zurückgewonnen werden“.

Wo gleich geholfen werden kann

Bei FDP, Grünen und Union findet der Gedanke bewaffneter Garantien für einen künftigen Waffenstillstand Zustimmung und wird auch schon in Einzelheiten besprochen. Faber von der FDP sagt, nach dem Ende des Krieges könnte eine „internationale Schutztruppe“ zum Beispiel von „EU oder NATO“ organisiert werden. Hofreiter von den Grünen ist zwar ebenfalls der Ansicht, dass es am Ende „militärische Garantien“ für das „Gebiet unter der Kon­trolle der ukrainischen Regierung“ geben müsse, aber er lässt offen, „ob es dann klug ist, gleich NATO-Truppen in der Ukraine zu stationieren, oder ob lieber neutralere Länder das machen sollten“.

Auch Kiesewetter von der CDU findet es richtig, zum Schutz eines Waffenstillstands „robust mit eigenen Truppen reinzugehen“. Er warnt aber davor, „einer Teilung der Ukraine Vorschub zu leisten“, falls Putin nicht alle besetzten Gebiete sofort freigeben sollte. „Das Ziel muss immer bleiben, dass Russland sich komplett aus der Ukraine zurückzieht.“

Mit Macrons Gedanken sind diese Berliner Überlegungen nur zum Teil kompatibel. Der „Jamaika-Konsens“ über alliierte Flugabwehr von Polen oder Rumänien aus wäre zwar tatsächlich Hilfe mit eigenen Truppen, aber eben nicht in der Ukraine selbst. Der Gedanke einer Truppe zum Schutz eines Waffenstillstandes wiederum reicht zwar auf ukrainisches Gebiet. Er setzt aber voraus, dass erst einmal die Waffen schweigen, während Macron genau diese Einschränkung nicht akzeptieren will.

Russische Raketen im Anflug auf die ukrainische Großstadt Charkiw.
Russische Raketen im Anflug auf die ukrainische Großstadt Charkiw.AP

Dort, wo bei Macron alles zusammenkommt, der mögliche Einsatz ausgewählter Spezialisten, die Stationierung in der Ukraine selbst und die Bereitschaft, sofort zu handeln, hört im politischen Berlin dagegen die Unterstützung auf. Allenfalls einige Fachleute ohne direkte politische Anbindung wollen ihm hier folgen. Es sind allerdings namhafte Stimmen, und sie haben eine Fülle von Vorschlägen. Nico Lange von der Münchner Sicherheitskonferenz will ab sofort über die Entsendung von Instandsetzungseinheiten, Ausbildern, Militärärzten und Minenräumern nachdenken. Auch Grenzschützer in Richtung Belarus und Bodenpersonal für Kampfflugzeuge kommen für ihn infrage. Gustav Gressel vom European Council on Foreign Relations schlägt westliche Militärberater vor, weil die Ukraine von der Brigadeebene aufwärts zu wenig gut ausgebildete Stabsoffiziere habe.

Außerdem weist er darauf hin, dass dringend nötiges Spezialgerät zur Ortung feindlicher Radare oder zur Bekämpfung russischer Störsender westliches Personal erfordere. Nicht so sehr, weil die Ukrainer es nicht selbst bedienen könnten, sondern weil nur so die geheime Technologie vor Spionage geschützt werden könne. General Brauß fügt ein völkerrechtliches Argument hinzu: Die Ukraine, sagt er, sei nicht nur irgendein Nachbar der NATO, sondern seit einem Abkommen von 1997 ein „Distinctive Partner“. Wenn so einer angegriffen werde, müsse man bereit sein, an Ort und Stelle zu helfen. Wenn nicht mit Kampftruppen, dann doch zumindest mit „Ausbildung und Logistik“.

Im Bundestag wollen nur wenige so weit gehen. Kiesewetter von der CDU kann sich zwar „vorstellen, dass eine Koalition der Willigen ernsthaft erwägt, zu einem bestimmten Zeitpunkt zunächst nicht kämpfende Truppen“ zu schicken, aber bei der Ampel hält man sich zurück. Faber von der FDP meint, westliche Soldaten in der Ukraine würden nicht „viel bringen“. Instandsetzung zum Beispiel könne ebenso gut von Zivilisten erledigt werden, und die Ausbildung in Deutschland habe sich bewährt.

In den Apparaten der Grünen werden die Möglichkeiten zwar intern durchdekliniert, aber viele, die sich der F.A.S. gegenüber intern geäußert haben, scheuen die Öffentlichkeit. Manche beschreiben ein Dilemma: Wer Macrons Ideen unterstützt, kann leicht als Kriegstreiber dargestellt werden. Außerdem leite so etwas Wasser auf die Mühlen des Kanzlers und seiner SPD, die vor der Europawahl gerade wieder an die pazifistischen Instinkte der Linken appelliere. Wer die robusten Ideen aus Frankreich dagegen offen zurückweise, sende Signale der Schwäche an Putin. Wo es um Macron und seine Vorstöße geht, bleiben viele Grüne deshalb lieber in Deckung. Immerhin nach einem alten französischen Motto: „Immer daran denken, nie davon sprechen.“

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