Warum Irans Revolutionsgarde nicht als Terrorgruppe gelistet ist
Die Europäische Union müsse endlich die iranische Revolutionsgarde auf ihre Terrorliste setzen – diese Forderung haben nun etliche deutsche Politiker erhoben, vom CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz bis zum Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, dem SPD-Politiker Michael Roth. Neu ist sie nicht.
Außenministerin Annalena Baerbock von den Grünen hatte das schon im Herbst 2022 ins Gespräch gebracht, seinerzeit im Kontext der gewaltsamen Niederschlagung von Protesten. Geschehen ist bisher – nichts. Eine Listung sei „politisch wünschenswert“, schrieb die Bundesregierung im April 2023 in ihrer Antwort auf eine Anfrage der Unionsfraktion dazu. „Die rechtliche Basis hierfür muss allerdings gesichert sein.“ Daran bestehen bis heute Zweifel.
Politisch gesehen, wäre die Aufnahme der Revolutionsgarde auf die EU-Terrorliste ein rein symbolischer Schritt. Derzeit stehen 13 Personen und 21 Organisationen darauf, darunter die Hamas, der militärische Flügel der Hizbullah und die Kurdische Arbeiterpartei PKK. Die Mitgliedstaaten müssen alle Vermögenswerte dieser Gruppen einfrieren, außerdem dürfen keinerlei Geschäftsbeziehungen mit ihnen unterhalten werden.
Vertrauliches Gutachten der EU
Das gilt jedoch für die Revolutionsgarde schon seit Langem. Sie ist seit 2010 wegen ihrer Verantwortung für das Atom- und Raketenprogramm Irans mit denselben Sanktionen belegt. Das betrifft inzwischen auch mehr als vierzig relevante Strukturen der Revolutionsgarde und mehr als neunzig Angehörige, darunter alle maßgeblichen Kommandeure. Viele wurden mehrmals gelistet, auch wegen ihrer Unterstützung des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine.
Die EU-Liste der „Personen, Vereinigungen und Körperschaften, die an terroristischen Handlungen beteiligt sind“, wurde Ende 2002 geschaffen, in Reaktion auf die Anschläge des 11. Septembers 2001. Demnach kann jeder gelistet werden, der vom UN-Sicherheitsrat als mit dem Terrorismus in Verbindung stehend bezeichnet wird. Das trifft auf die Revolutionsgarde jedoch nicht zu. Deshalb könnte sie nur gemäß der zweiten Bestimmung aufgenommen werden. Demnach muss eine „zuständige Behörde“, in der Regel eine nationale Justizbehörde, „gestützt auf ernsthafte und schlüssige Beweise oder Indizien“, entweder Ermittlungen oder eine Strafverfolgung wegen terroristischer Handlungen aufgenommen haben.
Der Juristische Dienst des Rats der Europäischen Union hat dazu am 15. Februar 2023 ein vertrauliches Gutachten erstellt, auf das sich die Bundesregierung beruft. Demnach lagen die Voraussetzungen für eine Listung nicht vor. Das betrifft zum einen die Mitgliedstaaten, wo es keine Ermittlungen oder Urteile gegen die Revolutionsgarde gab. Zwar wurde ein iranischer Diplomat 2021 in Belgien wegen eines geplanten Terroranschlags zu 20 Jahren Haft verurteilt, der nach Auffassung des Gerichts der Revolutionsgarde angehörte. Allerdings war dies nicht Gegenstand des Verfahrens, weshalb sich der Mann nicht wirksam gegen den Vorwurf verteidigen konnte.
Kommen nun neue Sanktionen gegen Iran?
Zum anderen sah der Juristische Dienst auch keine Möglichkeit, Urteile aus den USA gegen Mitglieder der Revolutionsgarde heranzuziehen, weil diese Entscheidungen nicht hinreichend aktuell seien. Diese Argumentation ist unter Juristen umstritten. Verwiesen wird zudem auf andere Fälle, etwa ein Urteil in Kanada. Allerdings müsste der Rat in jedem Fall einstimmig über eine Listung entscheiden – und ein solcher Konsens ist nach Angaben von Diplomaten nicht in Sicht.
Tatsächlich zeichnet sich vor einer Videokonferenz der EU-Außenminister an diesem Dienstag ein anderes Vorgehen ab. Man erwäge weitere Sanktionen, „besonders gegen das Drohnen- und Raketenprogramm Irans“, kündigte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen an. Angeführt von Deutschland und Frankreich, hatten sich neun Staaten schon im Februar dafür eingesetzt. Nun dürfte der politische Wille ausreichen.
Vorbild sind die sektoralen Sanktionen, welche im Juli 2023 gegen das Drohnenprogramm Teherans verhängt wurden. Seither ist es verboten, Iran unbemannte Luftfahrzeuge und dafür notwendige Bauteile zu liefern, etwa bestimmte Motoren, integrierte Schaltungen und Wärmesensoren. Dies soll künftig auch für iranische Akteure gelten, die nicht Drohnen an Russland liefern. Außerdem soll es einen vergleichbaren Rahmen für Raketentechnik geben. Erfasst werden sollen Lieferungen an Iran und an seine Stellvertreter im Nahen Osten.