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Wie Iran die Mafia für Angriffe auf Juden in Europa nutzt

Drei Männer, drei ähnliche Geschichten: Der eine heißt Ramin Yektaparast. Er stammt aus dem Rocker­milieu in Mönchengladbach. Um einer Festnahme wegen Mordverdachts zu entgehen, setzt er sich nach Iran ab. Dort wird er nach iranischen Angaben Ende April unter ungeklärten Umständen getötet. Vorher lebt er ein Leben in Luxus, posiert mit teuren Autos. Nach Überzeugung des Oberlandesgerichts Düsseldorf stiftet er im November 2022 zwei Männer aus seinem kriminellen Netzwerk zu Schüssen auf ein Rabbinerhaus in Essen und zu einem Brandanschlag auf eine Synagoge in Bochum an. Im Fall der Sy­nagoge verläuft die Aktion anders als geplant. Beides, davon sind die Düssel­dorfer Richter überzeugt, geschah im Auftrag des iranischen Staates.

Der zweite Mann heißt Rawa Majid, Spitzname Kurdischer Fuchs. Er wächst in Uppsala auf und gehört zu den gefürchtetsten Drogenbossen Schwedens. Jahrelang entzieht er sich in der Türkei dem Zugriff der schwedischen Justiz. Als der Druck in Istanbul zu groß wird, setzt er sich nach Iran ab. Dort wird er nach Darstellung des israelischen Geheimdienstes erst festgenommen, und veranlasst dann als Gegenleistung für seine Freilassung in diesem Jahr mehrere Angriffe auf israelische Einrichtungen in Schweden.

Laut einem aktuellen Bericht der Zeitung „Svenska Dagbladet“ zählt die schwedische Polizei dazu einen versuchten Handgranatenangriff auf die israelische Botschaft in Stockholm, eine Schießerei vor der Botschaft, die Platzierung eines Sprengsatzes vor dem Sitz des israelischen Waffenherstellers Elbit Systems außerhalb von Göteborg sowie zwei weitere vereitelte Angriffe. Der schwedische Geheimdienst Säpo bestätigt Ende Mai zumindest so viel: Iran nutze kriminelle Netzwerke in Schweden als „Stellvertreter“, um Dissidenten sowie israe­lische und jüdische Interessen zu be­drohen.

Ein Polizist sichert nach dem Fund einer Handgranate die israelische Botschaft in Stockholm.
Ein Polizist sichert nach dem Fund einer Handgranate die israelische Botschaft in Stockholm.EPA

Eine ähnliche Entwicklung beobachten Sicherheitsbehörden in Deutschland. „Iran hat erkannt, dass es OK-Netzwerke für seine Zwecke nutzen kann“, bestätigen Sicherheitskreise der F.A.S. OK steht für organisierte Kriminalität. Das sei im Moment Irans wichtigster Modus Operandi zur Ausspähung von Anschlags­zielen. Für das Regime in Teheran habe dieses Vorgehen drei Vorteile: Erstens müsse es keine eigenen Leute einsetzen, die leicht enttarnt werden könnten. Zweitens könne es auf Personen zugreifen, die in konspirativem Handeln geschult seien. Drittens könne es jegliche Verantwortung abstreiten und so diplomatische Komplikationen vermeiden. Im letzten Punkt scheint Irans Kalkül allerdings nicht aufzugehen. Dazu später mehr.

Zunächst zum dritten Mann, dem Drogenhändler Naji Ibrahim Sharifi Zindashti, Spitzname Big Guy. Auch er lebt lange in der Türkei und setzt sich wegen Mordverdachts nach Iran ab. Das amerikanische Finanzministerium setzt ihn im Januar dieses Jahres auf eine Sanktionsliste. Dazu schreibt das Mi­nisterium: „Iranische Sicherheitskräfte schützen Zindashti und sein kriminelles Imperium, ermöglichen ihm, auf dem Drogenmarkt des Landes zu prosperieren und ein Leben in Luxus zu führen, während sein Netzwerk die Repression des Regimes exportiert und abscheuliche Operationen im Auftrag der Regierung durchführt.“ Demnach agiert der Mafiaboss im Auftrag des iranischen Ministeriums für Nachrichtenwesen.

Ebenfalls im Januar dieses Jahres wird Zindashti in den USA in Abwesenheit angeklagt. Er wird verdächtigt, einen zweifachen Mord im Bundesstaat Maryland in Auftrag gegeben zu haben, zu dem es dann aber nicht kommt. Eines der ausgewählten Opfer soll aus Iran in die USA geflohen sein. Einer der beiden Auftragskiller soll der Rockergruppe Hells Angels angehören, so wie Ramin Yektaparast aus Mönchengladbach.

Verbindungen zu mehreren Morden

Big Guys Kartell wird mit mehreren Morden an und Entführungen von iranischen Dissidenten in Verbindung gebracht. Da ist zum Beispiel der Mord an dem früheren iranischen Cybersicherheitsbeamten und späteren Regimekritiker Masoud Molavi-Vardanjani 2019 in Istanbul. Er hatte über das Netzwerk Telegram Korruptionsvorwürfe gegen führende Regimevertreter erhoben. Zindashti wird zwischenzeitlich festgenommen. Als Haupttäter wird dann aber ein Mann verurteilt, der für Zindashti in Istanbul als Gärtner gearbeitet haben soll. Als weiteres Beispiel nennt Washington die Entführung des deutsch-iranischen Oppositionellen Jamshid Sharmahd. Er wird 2020 aus Dubai nach Iran verschleppt und dort zum Tode verurteilt. Seither sitzt er im Todestrakt des Evin-Gefängnisses, während seine Tochter aus den Vereinigten Staaten verzweifelt um seine Freilassung kämpft. Im vergangenen Jahr traf sie Außenministerin Anna­lena Baerbock.

Auch die Amerikaner kommen zu dem Schluss: „Das Regime stützt sich bei solchen Aktionen zunehmend auf Gruppen des organisierten Verbrechens in dem Versuch, Verbindungen zur iranischen Regierung zu verschleiern“. Das scheint nicht zu klappen.

Im Fall von Ramin Yektaparast erklären gleich zwei deutsche Gerichte seine Verbindungen zum iranischen Staat für gesichert. Das Düsseldorfer Oberlandesgericht schreibt in einer Urteilsbegründung vom März dieses Jahres, der ehemalige Rockerboss habe mit staat­lichen iranischen Stellen zusammengearbeitet, um seinen Aufenthalt in Iran zu sichern und seinen kostspieligen Lebenswandel zu finanzieren. Die Richter berufen sich auf den Verfassungsschutz und mehrere Indizien.

So schreibt Yektaparast am Tag des Brandanschlags von Bochum in einer Chatnachricht an den inzwischen verurteilten Babak J.: „Bruder, falls du es nicht willst, sag mir Bescheid, damit ich hier nicht blamiert werde.“ Mit „hier“ meint Yektaparast nach Überzeugung der Richter jene „staatlichen iranischen Stellen“. Babak J. blamiert ihn dann doch: Er wirft den vorbereiteten Brandsatz nicht auf eine Synagoge, sondern auf eine nahe gelegene Schule. Babaks Vater fragt Yekta­parast in einem überwachten Telefonat, ob die Tat vom Staat beauftragt wurde. Yektaparast, der in den Gerichtsunterlagen nicht namentlich identifiziert wird, streitet das nicht ab. Ein Zeuge sagt außerdem aus, dass er mit dem Versprechen, künftig ohne Probleme nach Iran einreisen zu können, als Mittäter angeworben werden sollte.

Der Bundesgerichtshof geht in einem Beschluss vom Juni 2023 noch einen Schritt weiter als die Düsseldorfer Richter und identifiziert die staatliche Stelle als Quds-Kräfte der Revolutionsgarde. Das ist eine Eliteeinheit, die für Auslandseinsätze zuständig ist. Die Richter berufen sich auf „Behördenzeugnisse“, also Geheimdiensterkenntnisse.

Das Netzwerk ist für Teheran wohl wertlos geworden

Das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf könnte der Europäischen Uni­on als juristische Grundlage dienen, um die Revolutionsgarde als Terrororganisation einzustufen. Darum bemüht sich zumindest die Bundesregierung. Eine solche Listung hätte vor allem symbolische Bedeutung, da die Revolutionsgarde schon im Zusammenhang mit Irans Waffenprogrammen sanktioniert wird. Das Regime in Teheran beobachtet den deutschen Vorstoß genau. Ob es einen Zusammenhang zwischen dem Gerichtsprozess und dem mutmaßlichen Tod von Ramin Yektaparast gibt, ist unklar. Sein kriminelles Netzwerk dürfte für die iranischen Auftraggeber durch die deutschen Ermittlungen jedenfalls wertlos geworden sein. Die iranische Nachrichtenagentur Tasnim berichtete, er sei im Zuge eines persönlichen Konflikts mit mehreren Schüssen in den Hinterkopf getötet worden. Deutsche Sicherheitskreise schließen nicht vollkommen aus, dass sein Tod nur vorgetäuscht wurde.

Die Angriffe auf jüdische und israelische Einrichtungen in Europa gehen derweil weiter. Im April observieren Münchner Einsatzkommandos laut einem Bericht der Zeitschrift „Focus“ einen in Frankreich lebenden Algerier mit kriminellem Hintergrund bei dem mutmaß­lichen Versuch, im iranischen Auftrag jüdische Ziele auszukundschaften. Sicherheitskreise bestätigen der F.A.S. die An­gaben. In Griechenland werden vergan­ge­ne Woche sieben Personen wegen Brandanschlägen auf eine Synagoge in Athen und ein von einem Israeli betriebenes Hotel festgenommen.

Wie in anderen Fällen blieb der Schaden begrenzt. Liegt das an der Wachsamkeit der Sicherheitsbehörden? Daran, dass sie in der aktuell aufgeheizten Lage eher zu früh als zu spät eingreifen, auf die Gefahr hin, dass dann keine gerichtsfesten Beweise gegen die Täter vorliegen? Liegt es daran, dass es Iran vor allem darum geht, eine Drohkulisse aufzubauen? Oder daran, dass die beauftragten Täter aus dem Mafiamilieu mehr Interesse daran haben, einen Arbeitsnachweis zu erbringen als so viel Schaden wie möglich anzurichten? Man weiß es nicht.

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